Bei Tarifabschlüssen stellt sich oft die Frage, ob übertarifliche Entgelte mit der Tariferhöhung verrechnet werden können.
Bei jedem Tarifabschluss stellt sich für den Arbeitgeber((GENDERNOTICE)) die Frage, ob bei Mitarbeitern, die nicht lediglich nach Tarif bezahlt werden, sondern die zusätzliche übertarifliche Entgelte erhalten, diese wegen der Tariferhöhung angerechnet werden können.
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Die Frage der Anrechnung übertariflicher Zahlungen auf eine Tariflohnerhöhung stellt sich nur dann, wenn der konkrete Tarifabschluss überhaupt für das jeweilige Arbeitsverhältnis von Bedeutung ist.
Dies ist dann der Fall, wenn
Liegt keine dieser drei Alternativen vor, hat der Tarifabschluss für das konkrete Arbeitsverhältnis keine Bedeutung. Die Frage der Anrechnung wegen der Tariferhöhung stellt sich dann nicht. Nähere Informationen zu einer HBE-Mitgliedschaft ohne Tarifbindung enthält das HBEPraxiswissen „Tarifbindung“.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist die Anrechnung von übertariflichen Zulagen aus Anlass einer Tariferhöhung grundsätzlich zulässig.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung ausdrücklich vereinbart wurde oder nicht. Selbst wenn der Arbeitgeber über Jahre hinweg keine Anrechnung vorgenommen hat (obwohl er dazu berechtigt gewesen wäre), kann er diese Praxis grundsätzlich ohne weiteres aufgeben und eine Anrechnung nunmehr vornehmen.
Laut BAG-Urteil vom 27.08.2008 (5 AZR 820/07) kann der Arbeitgeber eine übertarifliche Zulage mangels anderweitiger Abrede bei Tariflohnerhöhungen auch rückwirkend verrechnen. Unser Tipp: Arbeitgeber sollten übertarifliche Zulagen unter einen ausdrücklichen Anrechnungsvorbehalt stellen.
Eine Anrechnung übertariflicher Zulagen wegen der Tariferhöhung ist jedoch ausgeschlossen, wenn
In einer weiteren Entscheidung fordert das BAG (25.06.2002, 3 AZR 167/01) für die Anrechnung einer von den Tarifvertragsparteien für mehrere Monate vereinbarten Einmalzahlung, dass erkennbar ist, wie sich der Betrag zusammensetzt bzw. sich über die einzelnen Monate verteilt. Nur dann sei eine Anrechnung auf mehrere Monate zulässig.
Ist die Anrechnung danach zulässig, reduziert sich die (anrechnungsfähige) übertarifliche Zulage aufgrund der Anrechnungsentscheidung des Arbeitgebers automatisch um den Anteil der Tariferhöhung.
Es empfiehlt sich, die Mitarbeiter über eine Anrechnung schriftlich und rechtzeitig vorher zu
informieren. Bei der Anrechnung ist der Gleichheitsgrundsatz zu beachten.
Soweit ein Betriebsrat vorhanden ist, scheitert eine Anrechnung gleichwohl, wenn das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht beachtet wurde. Die Rechtsprechung hierzu ist äußerst umfangreich und vielschichtig. Deshalb sollen hier nur die Grundsätze fragmentarisch dargestellt werden. In Einzelfällen empfiehlt es sich, Rücksprache mit den Experten des HBE zu nehmen.
Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht dann, wenn durch die Anrechnung
sämtliche übertariflichen Zulagen in Wegfall geraten. Ein Mitbestimmungsrecht besteht auch
dann nicht, wenn die Tariferhöhung vollständig und gleichmäßig auf die Zulagen angerechnet
wird.
Voraussetzung eines Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates ist insbesondere eine Änderung der Verteilungsgrundsätze. Eine Änderung der Verteilungsgrundsätze liegt immer dann
vor, wenn sich aufgrund der Anrechnung das Verhältnis der Zulagen verschiedener Arbeitnehmer zueinander ändert. Dies ist aufgrund der üblicherweise differenzierten Zulagengestaltung bei einer Anrechnung regelmäßig der Fall. Selbst bei einer summenmäßig oder prozentual gleichen Anrechnung führt allein eine bislang unterschiedliche Zulagenhöhe bei einzelnen Arbeitnehmern zu einer Änderung des Verteilungsschlüssels im Verhältnis der
Zulagen untereinander. Unverändert bleiben die Verteilungsgrundsätze nur dann, wenn der
Arbeitgeber bislang eine für alle Arbeitnehmer prozentual zum jeweiligen Tariflohn gleiche
Zulage gezahlt hat und diese nunmehr im gleichen prozentualen Umfang angerechnet bzw.
gekürzt hat. Ein vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichtes diesbezüglich angeführtes
Zahlenbeispiel dürfte für die Praxis jedoch kaum von Bedeutung sein.
Allerdings sind unabhängig davon nach der Rechtsprechung des Großen Senates die Mitbestimmungsgrenzen in rechtlicher Hinsicht dann erreicht, wenn der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung vollständig auf alle Zulagen anrechnet, unabhängig davon, ob hierdurch eine Änderung der Verteilungsgrundsätze bewirkt wird.
Verletzt der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, ist die Anrechnung
auch gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer unwirksam. Der Arbeitnehmer kann dann in
einem solchen Fall das ihm zustehende Tarifentgelt zuzüglich der ungekürzten übertariflichen
Zulage verlangen.
