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Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG): Informationspflichten

Zum 01. April 2016 traten die neuen Vorschriften des VSBG in Kraft. Damit wurden die europäischen Vorgaben der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ADR-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt. Die ADR-Richtlinie und das VSBG als nationales Umsetzungsgesetz dürfen nicht mit der ODR-Verordnung verwechselt werden, die ebenfalls neue Informationspflichten vorsieht. Die ODR-Verordnung gilt für Online-Händler, während die Vorgaben der ADR-Richtlinie auch von Händlern beachtet werden müssen, die ausschließlich stationär tätig sind.

Recht, Arbeit & Soziales Wettbewerbsrecht Onlinerecht

Umsetzung der Europäischen Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ADR-Richtlinie)

Zum 01. April 2016 traten die neuen Vorschriften des VSBG in Kraft. Damit wurden die europäischen Vorgaben der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ADR-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt. Die ADR-Richtlinie und das VSBG als nationales Umsetzungsgesetz dürfen nicht mit der ODR-Verordnung verwechselt werden, die ebenfalls neue Informationspflichten vorsieht. Die ODR-Verordnung gilt für Online-Händler((GENDERNOTICE)), während die Vorgaben der ADR-Richtlinie auch von Händlern beachtet werden müssen, die ausschließlich stationär tätig sind.

Das neue VSBG regelt insbesondere die Anerkennung von Streitbeilegungsstellen, die Voraussetzungen für deren Anerkennung und stellt den flächendeckenden Zugang der Verbrauche((GENDERNOTICE)) zu anerkannten Streitbeilegungsstellen sicher. Für die Unternehmen des Einzelhandels sind insbesondere die §§ 36, 37 VSBG von Bedeutung. Mit diesen Normen werden neue Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, die künftig unbedingt beachtet werden sollten. Versäumt ein Unternehmer die vorgeschriebenen neuen Verbraucherinformationen, kann er nach dem Unterlassungsklagegesetz abgemahnt werden. Der Verbraucher kann zudem ggf. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Pflichten geltend machen. Ferner besteht wegen des im Gesetz vorgesehenen Automatismus bei einem Verzicht auf die vorgeschriebenen Informationen der Verbraucher die Gefahr, dass gegen den Unternehmer ein kostenpflichtiges Streitbeilegungsverfahren eingeleitet (§ 30 Abs. 5 S. 2 VSBG) und anschließend - ggf. sogar ohne seine aktive Mitwirkung - einen Schlichtungsvorschlag unterbreitet wird (§ 30 Abs. 4 VSBG).

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Informationspflichten

Der Gesetzgeber hat die Informationspflichten eingeführt, um dem Verbraucher das Auffinden der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle zu erleichtern. Außerdem wollte er für den Konsumenten Klarheit schaffen, ob und ggf. bei welcher Schlichtungsstelle der Unternehmer im Streitfall an einem Streitbeilegungsverfahren teilnimmt. Zu differenzieren ist zwischen den allgemeinen Informationspflichten (§ 36 VSBG) und den Informationspflichten nach Entstehen der Streitigkeit (§ 37 VSBG).

Allgemeine Informationspflichten (§ 36 VSBG)

Wer ist verpflichtet?

Die allgemeinen Informationspflichten gelten nur für Unternehmen, die mehr als zehn Personen beschäftigen (§ 36 Abs. 3 VSBG). Kleinunternehmen sind von diesen neuen Pflichten also befreit. Maßgeblicher Stichtag für die Feststellung der Beschäftigtenzahl ist der 31. Dezember des vorangegangenen Jahres. Hat ein Unternehmer an diesem Tag 11 Personen oder mehr beschäftigt, muss er die Informationspflichten beachten. Bei der Ermittlung der Personenzahl ist die Kopfzahl der Beschäftigten unabhängig von ihren Arbeitszeitanteilen maßgeblich. Eine nur anteilige Berücksichtigung der einzelnen Arbeitnehmer ist daher unzulässig. Kleinere Unternehmen sollten regelmäßig zu Beginn eines Kalenderjahres überprüfen, ob sie aufgrund der aktuellen Beschäftigtenzahl zur Information verpflichtet sind.

Unternehmen, die aufgrund ihrer Beschäftigtenzahl von der neuen Informationspflicht erfasst sind, müssen diese aber nur umsetzen, wenn sie eine Webseite unterhalten und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden (§ 36 Abs. 1 VSBG). Sollte dies nicht der Fall sein, können sie allerdings auf freiwilliger Basis in beliebiger Form darauf hinweisen, dass sie zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren bereit sind.

Wie muss die Information aussehen?

Die von der Neuregelung erfassten Unternehmen müssen den Verbraucher darüber in Kenntnis setzen, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

Eine Verpflichtung zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren kann z. B. aus Mediationsoder Schlichtungsabreden resultieren oder sich aus der Satzung des Trägervereins einer Schlichtungsstelle ergeben, soweit der Unternehmer Mitglied dieses Vereins ist. Zwar kommen grundsätzlich auch gesetzliche Verpflichtungen zur Teilnahme in Betracht. Solche bestehen z. B. für Energieversorgungsunternehmen (§ 111 b Abs. 1 S. 2 EnWG), nicht aber für Einzelhändler.

Soweit (z. B. eine vertragliche) Pflicht zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle besteht, muss der Unternehmer den Verbraucher darauf hinweisen und gleichzeitig erklären, welche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist. Der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle enthalten.

Ist der Unternehmer freiwillig generell zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit, muss er dies ebenfalls gegenüber dem Verbraucher erklären. Es besteht in diesem Fall aber keine Verpflichtung, die Anschrift und Webseite einer zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle zu benennen. Dem Unternehmer steht es allerdings frei, seine Bereitschaft auf die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren auf eine bestimmte Verbraucherschlichtungsstelle zu beschränken.

Wichtig

Es besteht auch eine „negative Informationspflicht“. Ist der Unternehmer nicht bereit, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, muss er die Verbraucher ebenso darüber informieren.

Für Verbraucher wurde am 01. April 2016 mit Unterstützung der Bundesregierung eine Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle in Kehl am Rhein eingerichtet, die bundesweit auch für Streitigkeiten mit Unternehmen des Einzelhandels zuständig ist. Die Stelle wurde vom Bundesamt für Justiz anerkannt. Sie unterhält eine Webseite www.verbraucher-schlichter.de. Als Streitmittler sind dort zwei Volljuristen tätig. Die Stelle wird vom Zentrum für Schlichtung e. V. getragen, welches am 24. März 2016 in das Vereinsregister eingetragen wurde

Der jeweilige Text zur Erfüllung der Informationspflicht kann wie folgt lauten:

1. Muster:
Keine Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren: 

Wir nehmen nicht an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teil.

2. Muster:
Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren 

Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor der folgenden Verbraucherschlichtungsstelle teil: Universalschlichtungsstelle des Bundes, Zentrum für Schlichtung e V., Straßburger Straße 8, 77694 Kehl am Rhein, Tel.: 07851 7957940, Fax: 07851 7957941, E-Mail: mail@universalschlichtungsstelle.de , Webseite: https://www.verbraucher-schlichter.de.

Wo muss informiert werden?

Die Informationen müssen auf der Webseite des Unternehmers erscheinen und / oder zusammen mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden. Besteht keine Webseite bzw. werden keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet, entfällt die entsprechende Informationspflicht.

Die Informationen müssen leicht zugänglich, klar und verständlich erteilt werden. Auf einer Webseite muss also sichergestellt werden, dass die Informationen nicht im Gesamtlayout des Internetauftritts oder dem sonstigen Online-Angebot untergehen. Daher ist darauf zu achten, dass diese vom Verbraucher leicht aufgefunden werden kann. Verlinkungen sind durch das Gesetz nicht ausgeschlossen. Rechtsicher ist daher ein genereller Hinweis auf die Schlichtungsstelle möglichst bereits auf der Startseite z. B. im Footer oder am Ende des Menüs mit einer Verlinkung (Link: „Verbraucherschlichtung“), über die sich unmittelbar die weiteren Informationen abrufen lassen.

Ferner ist die Information in unübersehbarer Weise in die AGB’s zu integrieren. Dabei werden z. B. eine eindeutige Überschrift im Fettdruck und ein Text mit kursiven Schriftzeichen ausreichen. Die Schriftgröße, Schriftart und Schriftfarbe müssen sowohl auf der Webseite als auch bei der Integration in AGB so gewählt sein, dass die Information nicht versteckt, sondern klar und einfach erkennbar ist. Die Darstellung sollte auch auf die erforderlichen Pflichtinformationen beschränkt bleiben, um die Klarheit nicht zu gefährden. Die Informationen müssen nämlich von sonstigen Informationen abgesetzt und für den Verbraucher gut erfassbar sein.

Die Kosten

Die allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle in Kehl informiert auf ihrer Internetseite u. a. über die Kosten. Diese orientieren sich am Streitwert wie folgt:

  • 50 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro,
  • 80 Euro bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro, 
  • 150 Euro bei Streitwerten von 200,01 Euro bis einschließlich 500 Euro, 
  • 300 Euro bei Streitwerten von 500,01 Euro bis einschließlich 2.000 Euro, 
  • 400 Euro bei Streitwerten von 2.000,01 Euro bis einschließlich 5.000 Euro, 
  • 500 Euro bei Streitwerten von 5.000,01 Euro bis einschließlich 10.000 Euro,
  • 650 Euro bei Streitwerten von 10.000,01 Euro bis einschließlich 30.000 Euro, 
  • 800 Euro bei Streitwerten ab 30.000,01 Euro.

Diese Kosten sind durch den Unternehmer (Händler/Internethändler) zu zahlen, soweit sich der Unternehmer bereit erklärt hat, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Zahlungspflicht entfällt nicht dadurch, dass der Unternehmer das Verfahren später nicht fortsetzen will.

Der Verbraucher muss nur dann zahlen, wenn die eingeleitete Streitschlichtung als missbräuchlich anzusehen ist. In diesem Fall hat der Verbraucher 30,00 Euro zu zahlen. Ob es in einem solchen Fall dennoch bei den Kosten bleibt, die beim Unternehmer anfallen, ist offen und wird nicht ausdrücklich angesprochen.

Mit Blick auf die Kosten ist gut zu prüfen, ob eine Streitschlichtung für den Unternehmer einen Sinn macht, da diese Kosten auf jeden Fall bei ihm anfallen.

Besondere Informationspflichten (§ 37 VSBG)

Die besonderen Informationspflichten knüpfen dagegen an die Situation zeitlich nach Entstehung eines Streits zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher an.

Wer ist betroffen?

Die Informationspflichten nach Entstehen einer Streitigkeit treffen Unternehmer, wenn sie eine Streitigkeit aus einem Verbrauchervertrag nicht durch Verhandlungen mit dem Kunden beilegen konnten. Es ist dabei unerheblich, ob der Unternehmer eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.

Wichtig

Die besonderen Informationspflichten bestehen für alle betroffenen Unternehmer, unabhängig davon, wie viele Mitarbeiter bei ihnen beschäftigt sind.

Wie muss die Information aussehen?

Der Unternehmer muss dem Verbraucher darüber unterrichten, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet ist. Eine Verpflichtung kann sich u. a. aus einer Vereinbarung mit dem Verbraucher ergeben.

Eine Verpflichtung zur Verbraucherinformation nach Entstehen einer Streitigkeit besteht ausweislich der Gesetzesbegründung auch, wenn der Unternehmer die Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren ablehnt („negative Informationspflicht“, s. o.). Nach dem Wortlaut des § 37 VSBG ist der Unternehmer auch in diesem Fall verpflichtet, die Verbraucherschlichtungsstelle zu benennen, die zuständig wäre, wenn er an einem Streitbeilegungsverfahren teilnehmen würde.

Da der Hinweis in Textform erfolgen muss (s.u.), wäre ein Hinweis auf der Webseite nicht ausreichend. Wir empfehlen daher, den Kunden in der gemäß § 126 b BGB entsprechenden Form, d.h. per Brief oder E-Mail, wie folgt zu informieren:

1. Muster:
Keine Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren: 

Bei Streitigkeiten mit dem Unternehmen X wäre die Universalschlichtungsstelle des Bundes, Zentrum für Schlichtung e. V., Tel.: 07851 7957940, Fax: 07851 7957941, E-Mail: mail@universalschlichtungsstelle.de , Webseite: https://www.verbraucher-schlichter.de. zuständig. Eine Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren lehnt das Unternehmen X allerdings ab.

2. Muster:
Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren: 

Bei Streitigkeiten mit dem Unternehmen X ist die Universalschlichtungsstelle des Bundes, Zentrum für Schlichtung e. V., Tel.: 07851 7957940, Fax: 07851 7957941, E-Mail: mail@universalschlichtungsstelle.de , Webseite: https://www.verbraucher-schlichter.de. zuständig. Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teil.

Wann muss informiert werden?

Die Information muss erst erteilt werden, wenn andere Versuche der Streitbeilegung endgültig gescheitert sind. Dies ergibt sich aus den Worten: „Der Unternehmer hat den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn die Streitigkeit … nicht beigelegt werden konnte“ (§ 37 Abs. 1 S. 1 VSBG). Solange z. .B. noch Verhandlungen im Rahmen eines unternehmenseigenen Kundenbeschwerdesystems zwischen Unternehmer und Verbraucher geführt werden, müssen die Informationen auch ausweislich der Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf, S. 95) noch nicht erteilt werden.

Die Informationen müssen in Textform erbracht werden. Die Erklärung kann also schriftlich auf Papier, per Fax oder per E-Mail abgegeben werden (§ 126 b BGB). Ein mündlicher Hinweis genügt nicht. Damit die Erfüllung der Informationspflichten in der Praxis nicht versäumt wird, sollten Unternehmen für E-Mails und Schriftsätze ihres Beschwerdemanagements und Kundendienstes Standardformulierungen mit dem unter Punkt Wie muss die Information aussehen?. dargestellten Inhalt vorsehen.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Anne-Franziska Weber
Syndikusrechtsanwältin
Themen: Recht, Arbeit & Soziales Wettbewerbsrecht Onlinerecht
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