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Umlageverfahren - Aufwendungsausgleichsgesetz

Bis 31.12.2005 waren nur Kleinbetriebe am Ausgleichsverfahren beteiligt, aus dem Lohnfortzahlungskosten bei Arbeitsunfähigkeit von Auszubildenden und Arbeitern, sowie Mutterschaftskosten erstattet wurden. Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld aus dem Grund bejaht, weil nur für Kleinbetriebe eine Erstattung dieser Kosten durch die Teilnahme am Umlageverfahren (U2) vorgesehen ist. Darin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, der zu einer faktischen Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung in Mittel- und Großbetrieben führe.

Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht Krankheit und sonstige Fehlzeiten Mutterschutz & Elternzeit Sozialversicherungsrecht

1. Ausgangssituation

Bis 31.12.2005 waren nur Kleinbetriebe am Ausgleichsverfahren beteiligt, aus dem Lohnfortzahlungskosten bei Arbeitsunfähigkeit von Auszubildenden und Arbeitern, sowie Mutterschaftskosten erstattet wurden.

Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld aus dem Grund bejaht, weil nur für Kleinbetriebe eine Erstattung dieser Kosten durch die Teilnahme am Umlageverfahren (U2) vorgesehen ist. Darin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, der zu einer faktischen Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung in Mittel- und Großbetrieben führe. Die Aufforderung an den Gesetzgeber, bis zum 31.12.2005 eine neue, verfassungskonforme Regelung zu schaffen, setzte dieser mit dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) um. Darin wird aber nicht nur das Umlageverfahren U2 (Mutterschaftskosten) auf alle Betriebsgrößen erstreckt, sondern auch das Umlageverfahren für die Kosten bei Arbeitsunfähigkeit (U1), mit dem daraus resultierenden Erstattungsanspruch für Arbeitgeber((GENDERNOTICE)), erheblich ausgeweitet und vereinheitlicht.

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2. Welche Betriebe nehmen am Ausgleichsverfahren teil?

U1 für die Lohnfortzahlungskosten bei Arbeitsunfähigkeit in Kleinbetrieben 

Seit 01.01.2006 nehmen am Ausgleichsverfahren der Aufwendungen aus der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (U1) einheitlich alle Unternehmen mit nicht mehr als 30 Mitarbeitern teil. Die Teilnahme am Ausgleichsverfahren ist für den Arbeitgeber verpflichtend, wenn und sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.


Berechnung der Beschäftigtenzahl für die U1 – Umlage

Nach der Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Mitarbeiter eines Unternehmens ist zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber U1 - umlagepflichtig ist. Besteht ein Unternehmen aus mehreren Betrieben, sind für die Frage der Teilnahme am Ausgleichsverfahren die Mitarbeiter aller Betriebe zusammen zu zählen. Die Mitarbeiterzahl wird jeweils am Anfang eines Kalenderjahres ermittelt. Das Ergebnis ist für das ganze Jahr bindend, auch wenn sich die Mitarbeiterzahl im Verlauf des Jahres erheblich verändert. Bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl wird auf das Vorjahr abgestellt:

Hat ein Arbeitgeber im Vorjahr in acht Kalendermonaten (die nicht nacheinander liegen müssen) nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigt, nimmt er am Umlage-/Ausgleichsverfahren teil. Bei Unternehmensgründung besteht eine Umlagepflicht dann, wenn nach der Art des Betriebes für die überwiegende Zahl der noch verbleibenden Monate im Gründungsjahr anzunehmen ist, dass nicht mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl werden Teilzeitmitarbeiter (erstmals auch geringfügig beschäftigte Mitarbeiter) nach ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit folgenden Faktoren anteilig berücksichtigt:

Bis 10 Wochenstunden = 0,25; bis 20 Wochenstunden = 0,5; bis 30 Wochenstunden = 0,75; über 30 Wochenstunden = 1,0.

Bei unregelmäßiger Arbeitszeit ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit, bezogen auf den jeweiligen Kalendermonat, maßgeblich.

Nicht mitgezählt werden bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl:

  • Auszubildende 
  • Schwerbehinderte und gleichgestellte Mitarbeiter 
  • Bezieher von Vorruhestandsgeld 
  • Altersteilzeitbeschäftigte in der Freistellungsphase 
  • Wehr- und Zivildienstleistende 
  • Mitarbeiter in Elternzeit 
  • Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende

(Auch Unternehmen, die z. B. nur Auszubildende oder nur Schwerbehinderte beschäftigen, nehmen am Umlageverfahren teil.)


U2 für Mutterschaftskosten 

Nach dem AAG werden alle Unternehmen – unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten - in das Ausgleichsverfahren für die U2 Umlage einbezogen (auch solche, die ausschließlich Männer beschäftigen). Damit sind alle Arbeitgeber verpflichtet, den Umlagebeitrag U2 abzuführen. Im Gegenzug steht ihnen ein Erstattungsanspruch für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz zu (s. u. 3. 2.).

3. Welche Kosten werden erstattet?

3.1. Kosten der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (U1 Umlage)

Die Krankenkassen erstatten den Arbeitgebern bis zu 80% des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Abs.1 und 2 EFZG) und bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§ 9 EFZG), sowie die hierauf entfallenden Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung. Erstattet werden auch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die von der Versicherungspflicht befreit sind, sowie die Beitragszuschüsse der Arbeitgeber zur Sozialversicherung für Mitarbeiter, die wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig versichert sind (§ 257 SGB V) und für freiwillig Versicherte gem. § 61 SGB XI.

Nicht erstattet werden:

  • Über die Ansprüche aus dem EFZG hinaus gehende Zahlungen des Arbeitgebers (freiwillig, vertraglich, tarifvertraglich), z. B. bei Krankheit in den ersten 4 Wochen einer Beschäftigung oder für mehr als sechs Wochen aus einer Erkrankung oder Zuschüsse zum Krankengeld 
  • Einmalzahlungen, selbst wenn sie während der Lohnfortzahlung und / oder anteilig für Zeiten der Lohnfortzahlung geschuldet oder geleistet werden 
  • Entgeltfortzahlung wegen Erkrankung eines Kindes

In den Satzungen der jeweiligen Ausgleichskasse können für die Lohnfortzahlungs-kosten wegen Arbeitsunfähigkeit folgende abweichende Regelungen getroffen werden:

  • Der Erstattungsanspruch wird auf weniger als 80% des fortgezahlten Arbeitsentgeltes festgesetzt (s. u.) 
  • Das erstattungsfähige Arbeitsentgelt wird auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung begrenzt 
  • Eine Erstattung des Arbeitgeberanteils zu den Sozialversicherungsbeiträgen bzw. der Arbeitgeberzuschüsse zur Sozialversicherung bei freiwillig Versicherten wird ausgeschlossen.
3.2. Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz (U2 Umlage)

Die Arbeitgeberkosten bei Mutterschaft werden von allen Krankenkassen zu 100% er-stattet. Hierbei handelt es sich um den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 MuSchG das bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt gem. § 18 MuSchG.

Nicht erstattet werden:

  • Einmalzahlungen (z. B. Urlaubs-, Weihnachtsgeld) 
  • über die gesetzlichen Ansprüche hinausgehende Vergütungen und Zahlungen des Arbeitgebers

Die Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung bzw. der Arbeitgeberzuschüsse bei freiwillig Versicherten kann für das U2 Umlageverfahren durch Satzungsregelung der zuständigen Krankenkasse pauschaliert werden.

4. Wie werden die Umlagebeiträge berechnet?

Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichsverfahrens werden von den beteiligten Unternehmen durch Umlagezahlungen (U1 und U2) aufgebracht.

4.1. Bemessungsgrundlage für die Umlage

Gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Umlagen U1 und U2 ist das Arbeitsentgelt aller im Betrieb beschäftigten Arbeiter, Angestellten, Auszubildenden, auch der schwerbehinderten Mitarbeiter, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bemessen werden oder bei Versicherungspflicht zu bemessen wären. Die früher zu treffende Unterscheidung nach Arbeitern und Angestellten wurde aufgegeben.

Für die Berechnung der Umlage werden nicht berücksichtigt:

  • über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Vergütungen / Arbeitsentgelte 
  • Einmalzahlungen (z. B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) 
  • Vorruhestandsgeld 
  • Vergütung für Hausgewerbetreibende und Heimarbeiter 
  • Zahlungen für Personen ohne Beschäftigungsverhältnis z. B. „Ein-Euro-Jobs“, Praktikanten u. ä. 
  • Nur für U1: Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern, deren Beschäftigung von vorne herein auf nicht mehr als 4 Wochen angelegt ist (für U2 werden auch diese Vergütungen herangezogen)
4.2. Höhe der Umlagesätze – der Unternehmer kann den Erstattungsumfang bei U1 wählen

Die zuständigen Krankenkassen können in ihrer Satzungsregelung für die U1–Umlage vom gesetzlich vorgesehenen Erstattungsumfang (80%) abweichen. Entsprechend der Staffelung der Erstattung ermäßigen sich die Umlagebeiträge. Jeder Unternehmer kann (jeweils) am Jahresanfang unter Abschätzung des betrieblichen Krankenkostenrisikos den Erstattungssatz wählen. An seine Wahl ist der Unternehmer mindestens ein Kalenderjahr gebunden.

Macht ein Unternehmer von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, ist die Umlage in Höhe des von der jeweiligen Krankenkasse festgesetzten Regelsatzes geschuldet.

Für die Mutterschaftskosten schreibt das Gesetz zwingend eine Erstattung zu 100% vor, so dass es hierfür von jeder Krankenkasse nur einen Umlagesatz gibt. Z. B.: Umlagesätze einzelner Krankenkassen im Januar 2019:

Umlagesatz
Umlagesatz

5. Welche Krankenkasse ist für Umlage und Erstattung zuständig?

Für das Umlageverfahren sind folgende Krankenkassen zuständig:

  • Alle gesetzlichen Kranken- und Ersatzkassen für die bei ihnen versicherten Personen. 
  • Die für die Sozialversicherungsbeiträge zuständige Einzugsstelle für privat- oder nicht krankenversicherten Personen. Das ist in der Regel die gesetzliche Krankenkasse, bei der der Arbeitnehmer zuletzt versichert war, bevor er in die Privatversicherung wechselte. 
  • Die Knappschaftskasse für alle geringfügig beschäftigten Mitarbeiter.

Daraus ergibt sich, dass für die einzelnen Mitarbeiter, je nach der zuständigen Krankenkasse (bzw. Knappschaft bei geringfügig Beschäftigten), unterschiedliche U2 Umlagen zu zahlen sind. Für die U1 Umlage ist eine Wahlentscheidung aus den jeweils angebotenen Staffelungen zu treffen, andernfalls gilt der Regelsatz der individuellen Krankenkasse des Mitarbeiters.

6. Verfahrensvorschriften

6.1. Meldeverfahren

Die Teilnahme am Umlageverfahren erfolgt durch die Zahlung der Umlagebeiträge an die zuständige Krankenkasse. Diese stellen für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl (für die U1 Umlage) Hilfsmittel (Listen, z. B. im Internet) zur Verfügung. Teilweise werden die Unternehmer schriftlich aufgefordert zu melden, ob sie am U1–Verfahren teilnehmen und welchen Erstattungssatz sie wählen. Ein formeller Bescheid über die Teilnahme am Ausgleichsverfahren erfolgt i. d. R. nicht.

Eine Ummeldung der Mitarbeiter von der bisher (meist) zuständigen AOK auf die individuelle Krankenversicherung ist nicht erforderlich. Der Wechsel erfolgt durch die Abführung der Umlagebeiträge an die jetzt zuständige Umlagekasse.

Die Umlagen U1 und U2 sind im Beitragsnachweis getrennt einzutragen und an die zuständige Ausgleichskasse abzuführen.

Die Umlage zählt zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag und unterliegt damit den allgemeinen Bestimmungen für die Beitragsfälligkeit.

6.2. Antrag auf Erstattung

Eine Kostenerstattung erfolgt nur auf Antrag und erst nach Auszahlung der Vergütung an den Mitarbeiter. Wird mit der Gehaltsabrechnung am Monatsende Entgeltfortzahlung geleistet oder ein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld bezahlt, kann hierfür sofort die Erstattung beantragt werden, auch wenn weitere Zahlungen an den Arbeitnehmer, z. B. wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit, anfallen werden. Für die Erstattung kann i. d. R. zwischen Verrechnung mit künftiger Beitragszahlung oder direkter Auszahlung gewählt werden. Wenn die Erstattung von Entgeltfortzahlung für Privatversicherte oder bei Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz beantragt wird, sind mit dem Antrag entsprechende Nachweise vorzulegen. Die Auszahlung oder Verrechnung durch die Krankenkasse ist erst mit Vorlage des vollständigen Antrags fällig.

Erstattungsansprüche für geleistete Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder für Mutterschutzleistungen verjähren nach vier Jahren.

6.3. Abtretung von Schadenersatzansprüchen

Wurde die Arbeitsunfähigkeit durch einen Dritten verursacht (z.B. bei einem Verkehrsunfall), von dem der Arbeitnehmer Schadenersatz fordern kann, geht dieser Anspruch nach § 6 EFZG auf den Arbeitgeber über, soweit dieser während der Arbeitsunfähigkeit den Lohn weiter bezahlt (hat). Wenn der Arbeitgeber seinerseits nach dem AAG Erstattung seiner Kosten beantragt (U1), muss er den vom Arbeitnehmer übergegangenen Anspruch bis zur Höhe der Erstattung an die zuständige Krankenkasse (Ausgleichs-kasse) abtreten. Die Abtretungserklärung ist zusammen mit dem Erstattungsantrag einzureichen. Den im Ausgleichsverfahren nicht erstatteten Teil der Lohnfortzahlung (20% oder mehr) kann der Arbeitgeber selbst von Dritten (Unfallverursacher) verlangen.

6.4. Versagung und Rückforderung der Erstattung

Solange ein Arbeitgeber die für die Durchführung des Ausgleichs im Einzelfall erforderlichen Angaben nicht oder nur unvollständig macht, kann die Ausgleichskasse die Erstattung versagen. Erstattungsbeträge, die aufgrund schuldhaft falscher oder unvollständiger Angeben eines Arbeitgebers geleistet wurden, können zurückgefordert werden.

Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen seit jeher die Prüfung des Umlageverfahrens in die Betriebsprüfungen mit ein. Wird die Umlagepflicht erst bei einer solchen Prüfung nachträglich festgestellt, führt dies zur Nachforderung von Umlagebei-trägen.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Dr. Melanie Eykmann
Bezirksgeschäftsführerin
Themen: Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht Krankheit und sonstige Fehlzeiten Mutterschutz & Elternzeit Sozialversicherungsrecht
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