Praxiswissen
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Schwerbehinderte Menschen

Schwerbehinderte Menschen sind Personen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 v. H., sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben.

Besondere Vertragsgestaltungen und Personengruppen

Vorbemerkung

Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wurden die durch das Bundesteilhabegesetz bereits seit Ende 2016 geltenden Änderungen im Schwerbehindertenrecht in das SGB IX überführt. 

Dadurch wurde eine erhebliche Anzahl von Paragrafen umbeziffert und neu geordnet. So finden sich die Pflichten der Arbeitgeber((GENDERNOTICE)), die bislang in §§ 80 ff. SGB IX geregelt waren, nun in §§ 163 ff. SGB IX wieder. Die Vorschriften zum Kündigungsschutz, die bislang in §§ 85 ff. SGB IX geregelt waren, finden sich in §§ 168 ff. SBG IX wieder.

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Die schon seit Ende 2016 geltende, wichtige Neuerung im Kündigungsrecht, die eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen erforderlich macht (§ 95 Abs. 2 S 3 SGB IX a. F.), geht nun in § 178 SGB IX auf. 

Die bis zu 10.000 Euro bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeitsregeln für Pflichtverstöße des Arbeitgebers finden sich in § 238 SGB IX wieder. 

Zudem wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2018 die Teilhabeleistungen für die Eingliederungshilfe behinderter Menschen aus dem Sozialhilferecht komplett in das SGB IX eingegliedert.

1. Wen schützt das Gesetz?

1.1. Schwerbehinderte Menschen

Schwerbehinderte Menschen sind Personen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 v. H., sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX n. F. rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. 

Die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch beginnt, ohne dass es einer förmlichen Anerkennung bedarf, sobald die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber von dem Eintritt oder der Erfüllung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen weiß. 

Der schwerbehinderte Mensch ist allerdings für diese Eigenschaft darlegungs- und beweispflichtig. In der Regel wird er diesen Nachweis durch den Schwerbehindertenausweis oder durch den Feststellungsbescheid des zuständigen Amtes erbringen.

1.2. Gleichgestellte behinderte Menschen

Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 v. H., aber wenigstens 30 v. H., bei denen im Übrigen diese Voraussetzungen vorliegen, sollen aufgrund ihres Feststellungsantrags vom Arbeitsamt schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Sie kann befristet werden. 

Gleichgestellt sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene während der Berufsausbildung, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 Prozent beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist. Allerdings gelten für diese Personengruppen die besonderen Regelungen (z. B. Kündigungsschutz) für schwerbehinderte Menschen nicht.

1.3. Feststellung der Behinderung - Ausweise

Auf Antrag des Behinderten stellen die zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. 

Auf Antrag des behinderten Menschen wird ihm ein Ausweis über seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch erteilt und der Grad der Behinderung mitgeteilt. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die dem schwerbehinderten Menschen nach dem SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen. Der Ausweis wird befristet ausgestellt und eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz erlischt.

2. Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer

2.1. Beschäftigungspflicht

  • Alle Arbeitgeber, die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, haben auf wenigstens 5 v. H. der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Arbeitsplätze von Arbeitgebern mit mehreren Betrieben oder Betriebsteilen werden bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen im Sinne des § 156 SGB IX n. F. zusammengerechnet. Damit haben Arbeitgeber die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, in welchen Betrieben oder Betriebsteilen und in welcher Verteilung sie schwerbehinderte Menschen in der erforderlichen Mindestzahl beschäftigen wollen. Andererseits sind Arbeitgeber mit mehreren

    Filialbetrieben, die jeder für sich weniger als 20 Arbeitsplätze im Sinne des § 156 SGB IX n. F. haben, ebenfalls in die Beschäftigungspflicht einbezogen. 
  • Arbeitsplätze im Sinne des SGB IX 3. Teil sind alle Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Damit zählen auch Ausbildungsplätze als Arbeitsplätze; sie werden jedoch bei der Berechnung der Pflichtplätze nicht mitgezählt. 
  • Arbeitgeber haben im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht in angemessenem Umfang zu beschäftigen 
    • schwerbehinderte Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeits- und Berufsleben besonders betroffen sind, sowie 
    • schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

      Arbeitgeber, die über Stellen zur beruflichen Bildung, insbesondere für Auszubildende verfügen, haben im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht einen angemessenen Anteil dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen.

      Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, hierüber mit der Interessenvertretung und mit der Schwerbehindertenvertretung zu beraten.

2.2. Wie werden die Zahl der Arbeitsplätze und die Zahl der Pflichtplätze berechnet?

Der Umfang der Beschäftigungspflicht richtet sich nach der Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze. Bei der Errechnung der einem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze sind - wie bereits oben dargelegt - alle Stellen mitzuzählen, auf denen Arbeitnehmer beschäftigt werden. Stellen, die nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden, gelten jedoch nicht als Arbeitsplätze. Bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Pflichtplätze zählen Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, ebenfalls nicht mit.

Die Zahl der Pflichtplätze errechnet sich wie folgt:

Arbeitsplätze x 5100

Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile von 0,50 und mehr sind aufzurunden, bei Arbeitgebern mit jahresdurchschnittlich bis zu 59 Arbeitsplätzen abzurunden. Daraus ergibt sich folgende Tabelle:

Bei 20 bis weniger als 40 Arbeitsplätzen muss1 schwerbehinderter Mensch,
bei 40 bis weniger als 60 Arbeitsplätzen müssen2 schwerbehinderter Mensch,
bei 60 Arbeitsplätzen müssen3 schwerbehinderter Mensch,
bei 70 Arbeitsplätzen müssen4 schwerbehinderter Mensch,
bei 90 Arbeitsplätzen müssen5 schwerbehinderter Mensch,
bei 110 Arbeitsplätzen müssen6 schwerbehinderter Mensch,
bei 130 Arbeitsplätzen müssen7 schwerbehinderter Mensch,
bei 150 Arbeitsplätzen müssen8 schwerbehinderter Mensch,

usw. beschäftigt werden.

Die weiteren Zahlen können anhand der oben gebrachten Formel errechnet werden.

2.3. Anrechnung auf Pflichtplätze - Mehrfachanrechnung

Ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX n. F. beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtplatz angerechnet. Auch ein schwerbehinderter Arbeitgeber wird auf einen Pflichtplatz angerechnet. 

Ein teilzeitbeschäftigter schwerbehinderter Mensch, der kürzer als betriebsüblich, aber nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtplatz angerechnet. Wird ein schwerbehinderter Mensch weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt, hat das Arbeitsamt die Anrechnung auf einen Pflichtplatz zuzulassen, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. 

Ein schwerbehinderter Mensch, der im Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt wird, wird auch für diese Zeit auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet. 

Das Arbeitsamt kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als einen Pflichtplatz, höchstens aber auf drei Pflichtplätze, zulassen, wenn dessen Eingliederung in das Arbeits- oder Berufsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Dies gilt auch für teilzeitbeschäftigte Schwerbehinderte. 

Ein schwerbehinderter Mensch, der zur Ausbildung beschäftigt wird, wird auf zwei Pflichtplätze angerechnet. Das Arbeitsamt kann die Anrechnung auf drei Pflichtplätze zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt.

Ein Schwerbehinderter kann bei Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis nach abgeschlossener Ausbildung (auch wenn die Ausbildung durch einen anderen Arbeitgeber erfolgt) im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtplätze angerechnet werden.

2.4. Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei Nichterreichung der Quote?

  • Arbeitgeber, die nicht die sich aus der Pflichtquote gemäß § 154 SGB IX n. F. ergebende Zahl von schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen beschäftigen, haben für jeden unbesetzten Pflichtplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wird damit nicht aufgehoben. Die Abgabe hat nach Meinung des Gesetzgebers eine sogenannte Ausgleichsfunktion. Sie soll einen kostenmäßigen Ausgleich schaffen zwischen Arbeitgebern, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllen und denen daraus zusätzliche Kosten entstehen und den Arbeitgebern, die schwerbehinderte Menschen nicht in ausreichendem Umfang beschäftigen und dadurch Kostenvorteile haben.

    Die Ausgleichsabgabe beträgt seit 01.01.2016 je Pflichtplatz und Monat zwischen 125,00 Euro und 320,00 Euro (vgl. § 160 SGB IX n. F.).

    Erfüllungsquote von 3 % bis unter 5 %: 125,00 Euro (früher 115,00 Euro)

    Erfüllungsquote von 2 % bis unter 3 %: 220,00 Euro (früher 200,00 Euro)

    Erfüllungsquote von 0 % bis unter 2 %: 320,00 Euro (früher 290,00 Euro)

    Die erhöhte Ausgleichsabgabe wirkt faktisch erst seit dem Jahr 2017, da die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2016 erst spätestens zum 31.03.2017 zu entrichten war. 
  • Der Arbeitgeber((GENDERNOTICE)) hat die Höhe der geschuldeten Abgabe für jeden Monat anhand des laufend zu führenden Verzeichnisses der beschäftigten schwerbehinderten Menschen, gleichgestellten behinderten Menschen oder sonstigen anrechnungsfähigen Personen selbst zu ermitteln. Bei der Berechnung ist auf den einzelnen Monat abzustellen. Ein Pflichtplatz gilt dann als besetzt, wenn ein schwerbehinderter Mensch oder eine sonst anrechenbare Person wenigstens an einem Tag des Monats auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX n. F. beschäftigt war. Ein Ausgleich zwischen Monaten mit Über- und Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht ist nicht zulässig. 
  • Zur besonderen Förderung der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 156 SGB IX n. F. und zur Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen, die den Interessen mehrerer Länder auf dem Gebiet der Arbeits- und Berufsförderung schwerbehinderter Menschen dienen, wird beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung als zweckgebundene Vermögensmasse ein "Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben" gebildet. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung verwaltet diesen Ausgleichsfonds.

2.5. Prüfungspflicht auf freie Arbeitsplätze

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit beim Arbeitsamt gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Dazu haben sie frühzeitig mit dem Arbeitsamt Verbindung aufzunehmen und die Schwerbehindertenvertretung über die Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach deren Eingang zu unterrichten. Auch bei der Prüfung, ob freie Arbeitsplätze vorhanden sind, ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung mit der beabsichtigten Entscheidung nicht einverstanden, so ist diese unter Darlegung der Gründe mit der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern und der betroffene schwerbehinderte Mensch zu hören. Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt lediglich dann nicht, wenn bei der Bewerbung schwerbehinderter Menschen diese die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnen.

2.6. Benachteiligungsverbot und Schadensersatzanspruch

Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Menschen nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Dies betrifft insbesondere die Begründung von Arbeitsverhältnissen, den beruflichen Aufstieg sowie Weisungen oder auch eine Kündigung. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der von dem schwerbehinderten Menschen auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist. Macht im Streitfall der schwerbehinderte Mensch Tatsachen geltend, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, so trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist (Beweislastumkehr!). 

Wird gegen dieses Benachteiligungsverbot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses verstoßen, kann der benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht allerdings nicht. Wäre der benachteiligte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, leistet der Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten. Einen solchen Anspruch muss der Bewerber innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend machen. Eine Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers wird bereits dann vermutet, wenn der Arbeitgeber entgegen § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX n. F. Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat nicht über den Eingang von Bewerbungen Schwerbehinderter informiert. Des Weiteren schreibt Satz 9 vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Schwerbehinderten im Falle der Ablehnung seiner Bewerbung unverzüglich „unter Darlegung der Gründe“ zu unterrichten. 

Die Regelungen über die angemessene Entschädigung gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht.

2.7. Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung, insbesondere Rechtsanspruch auf Teilzeit

Schwerbehinderte Menschen haben gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf 

Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können, 

bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, 

Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, 

behindertengerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten, einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, 

Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. 

Ein solcher Rechtsanspruch des schwerbehinderten Menschen besteht allerdings nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, oder, soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften entgegenstehen. 

Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Der Anspruch auf einen solchen Teilzeitarbeitsplatz besteht allerdings unter der Einschränkung, dass die Erfüllung des Anspruchs, wie in den vorgenannten Fällen, dem Arbeitgeber zumutbar ist und keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.

2.8. Abschluss von Inklusionsvereinbarungen

Nach § 166 SGB IX n. F. treffen Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat eine verbindliche Inklusionsvereinbarung. Antragsberechtigt für den Abschluss einer solchen Inklusionsvereinbarung ist die Schwerbehindertenvertretung. Inhalt der Vereinbarung sind u. a. Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, wobei der Gesetzestext Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfeldes, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit exemplarisch nennt und den Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen besonderes Gewicht beimisst. Integrationsvereinbarungen sind gedacht als Planungs- und Steuerungsinstrument zur Ausgestaltung einer integrativen Personalpolitik und zur Steuerung und Gestaltung betrieblicher Integrations- und Rehabilitationsprozesse. Funktionieren sollen die Integrationsvereinbarungen nach dem Prinzip von Zielvereinbarungen, also mittels Festlegung von messbaren Zielen und Kontrolle der Zielerreichung nach Ende der vereinbarten Laufzeit.

2.9. Prävention vor Kündigung

§ 167 SGB IX n. F. enthält den Grundsatz der Prävention. Kündigungen sollen durch frühzeitiges Tätigwerden bei Auftreten von Problemen im Beschäftigungsverhältnis vermieden werden. Bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit schwerbehinderten Menschen, hat der Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis gefährdet erscheint, möglichst frühzeitig die zuständigen Vertretungsorgane für schwerbehinderte Menschen und den Betriebsrat einzuschalten, mit ihm alle Hilfsmöglichkeiten zu erörtern, damit die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann.

Weiterhin besteht ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und zum Erhalt des Arbeitsplatzes, soweit Beschäftigte länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig sind. Die Interessenvertretungen (Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat) können die Klärung von Maßnahmen verlangen und überwachen die Einhaltung der Vorschriften zur Prävention durch den Arbeitgeber.

3. Pflichten des Arbeitgebers gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit und den Integrationsämtern

3.1. Verzeichnis der schwerbehinderten Menschen

Der Arbeitgeber hat gesondert für jeden Betrieb ein Verzeichnis der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Menschen, gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen und auf Verlangen den Vertretern des Arbeitsamtes und der Integrationsämter vorzuzeigen. Dieses Verzeichnis ist von jedem Arbeitgeber - auf die Beschäftigungspflicht kommt es nicht an - zu führen, der zumindest an einem Tag im Jahr wenigstens einen schwerbehinderten Menschen, gleichgestellten behinderten Menschen oder eine sonstige anrechnungsfähige Person beschäftigt. Dabei sind die entsprechenden Vordrucke zu verwenden (§ 163 Abs. 6 SGB IX n. F.). 

Wer das Verzeichnis nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt oder den berechtigten Personen nicht vorzeigt, handelt ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße belegt werden.

3.2. Anzeigepflicht der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber hat dem zuständigen Arbeitsamt einmal jährlich bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs und der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind. Der Anzeige sind das Verzeichnis nach § 163 Abs. 1 SGB IX n. F. sowie eine Kopie der Anzeige sowie das Verzeichnis zur Weiterleitung an das zuständige Inklusionsamt beizufügen. Dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung und Beauftragten des Arbeitsgebers ist je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln. 

Arbeitgeber, die nicht beschäftigungspflichtig sind, brauchen die Anzeige nur dann zu erstatten, wenn sie von der Bundesanstalt für Arbeit bzw. dem zuständigen Arbeitsamt dazu aufgefordert werden. 

Die Arbeitsämter sind ermächtigt, gegenüber Arbeitgebern, die die vorgeschriebene Anzeige bis zum 30. Juni nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstattet haben, einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Unabhängig davon kann die Fristüberschreitung auch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

3.3. Auskunftspflicht der Arbeitgeber

Die Arbeitgeber haben der Bundesanstalt für Arbeit bzw. dem Arbeitsamt und dem Integrationsamt alle zur Durchführung des Gesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und den Vertretern dieser Institutionen Einblick in den Betrieb zu gewähren, soweit es im Interesse der schwerbehinderten Menschen erforderlich ist und Betriebsgeheimnisse nicht gefährdet werden.

Des Weiteren muss die Vertrauensperson des schwerbehinderten Menschen unverzüglich nach ihrer Bestellung dem zuständigen Arbeitsamt und Inklusionsamt benannt werden. Nicht zuletzt muss der Arbeitgeber alle Einstellungen auf Probe und jede Beendigung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen während der ersten sechs Monate binnen 4 Tagen dem zuständigen Integrationsamt anzeigen (§ 173 Abs. 3 SGB IX n. F.).

4. Besonderer Kündigungsschutz

4.1. Kündigungsfrist

Die Mindestkündigungsfrist für den Fall der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen durch den Arbeitgeber beträgt vier Wochen. Sie gilt auch für Änderungskündigungen, nicht aber für Kündigungen seitens des schwerbehinderten Menschen. Die Mindestkündigungsfrist ersetzt nicht die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen, sie verlängert diese nur in den Fällen, in denen kürzere Fristen gelten würden. Der gesamte besondere Kündigungsschutz gilt erst nach sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses (§ 173 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX n. F.).

4.2. Erfordernis der Zustimmung des Inklusionsamtes bei der Arbeitgeberkündigung

Zur ordentlichen und außerordentlichen (fristlosen) Kündigung sowie zur Änderungskündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen bedarf der Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Inklusionsamtes, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. 

In Bayern ist das Inklusionsamt jeweils bei der Bezirksregierung eingerichtet (Anschriften am Schluss des Praxiswissens). 

Die Zustimmung des Inklusionsamtes ist nicht erforderlich bei anderen Arten der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, wobei hier insbesondere in Betracht kommen: Kündigung durch den schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen - einvernehmliche Aufhebung (= Aufhebungsvertrag) eines Arbeitsverhältnisses - Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 BGB (z. B. Arbeitnehmer ist für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit infolge seiner Behinderung nicht geeignet) - die Beendigung eines von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses. 

Für die Wirksamkeit des Kündigungsschutzes ist die mangelnde Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung seitens des Arbeitnehmers ohne Bedeutung, weil der Sonderkündigungsschutz des schwerbehinderten Menschen allein an den objektiven Bestand der Schwerbehinderteneigenschaft anknüpft. Allerdings ist der Arbeitnehmer gehalten, dem Arbeitgeber nach neuerer BAG-Rechtsprechung regelmäßig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Mitteilung von dem Bescheid oder der Antragstellung zu machen (vgl. BAG vom 12.01.2006, 2 AZR 539/05 Rn. 24), wenn nicht der Sonderkündigungsschutz verwirken soll. Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte((GENDERNOTICE)) im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Schwerbehinderter war oder mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt hat, dem später stattgegeben wurde. Für Gleichstellungsanträge gilt Entsprechendes (vgl. z. B. BAG vom 29.11.2007, 2 AZR 613/06). 

Ausnahmsweise kann der Sonderkündigungsschutz bereits vor Antragstellung des Schwerbehinderten beim Versorgungsamt eingreifen, wenn der schwerbehinderte Beschäftigte den Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung über seine körperlichen Beeinträchtigungen informiert und über die beabsichtigte Antragstellung in Kenntnis gesetzt hat. 

Für gleichgestellte behinderte Menschen gilt, wenn die Voraussetzung sechsmonatiger Beschäftigungsdauer erfüllt ist, der besondere Kündigungsschutz nicht erst ab Bekanntgabe der Gleichstellung, sondern rückwirkend bereits ab dem Tag des Eingangs des Antrags auf Gleichstellung.

4.3. Antrag des Arbeitgebers - Entscheidung des Inklusionsamtes

Die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen muss der Arbeitgeber bei dem zuständigen Integrationsamt schriftlich in doppelter Ausfertigung beantragen. Die ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten behinderten Menschen, der länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist, ist unwirksam. Aus dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung muss vor allem hervorgehen, welcher Art die Kündigung ist und wie sie begründet wird, sowie zu welchem Zeitpunkt die Kündigung erfolgen soll. 

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber vor Aussprechen der Kündigung die betriebliche Schwerbehindertenvertretung (Vertrauensmann/Vertrauensfrau) und den Betriebsrat anzuhören. 

Bei einer ordentlichen Kündigung soll das Integrationsamt die Entscheidung innerhalb eines Monats treffen, falls erforderlich aufgrund mündlicher Verhandlung. Eine Überschreitung der Frist aus sachlichen Gründen ist zulässig. Bei der ordentlichen Kündigung kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes aussprechen. 

Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären. 

Eine die Zustimmung zur Kündigung ablehnende Entscheidung des Integrationsamtes kann der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids durch Einlegung eines Widerspruchs beim Widerspruchsausschuss des Integrationsamtes und nach eventuell ablehnendem Widerspruchsbescheid mit anschließender Klage beim Verwaltungsgericht anfechten. Die gleiche Möglichkeit hat bei einer der Kündigung zustimmenden Entscheidung des Integrationsamtes der Arbeitnehmer. 

Die Zustimmungsbedürftigkeit für eine Kündigung des Arbeitgebers gilt auch bei einer Änderungskündigung und ferner bei leitenden Angestellten.

Zu beachten ist auch noch: 

Weder Widerspruch noch Klageerhebung gegen die Entscheidung des Integrationsamtes haben aufschiebende Wirkung. Legt ein Arbeitnehmer gegen die der Kündigung zustimmende Entscheidung des Integrationsamtes Widerspruch ein, muss deshalb zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist trotz Einlegung des Rechtsbehelfs seitens des Arbeitnehmers die Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden. Beachten Sie auch, dass der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen und gleichgestellte behinderte Menschen andere Schutzvorschriften unberührt lässt; daher ist daneben der allgemeine Kündigungsschutz, z. B. gemäß § 1 des Kündigungsschutzgesetzes und ein eventuell anderer besonderer Kündigungsschutz, z. B. für Betriebsratsmitglieder, zu beachten. 

In Fällen der Betriebsschließung und der Insolvenz wird die Zustimmung des Integrationsamtes nach vier Wochen fingiert (§ 171 Abs. 5 SGB IX n. F.).

4.4. Besondere Regelungen bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des Arbeitgebers

Die Zustimmung zu einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beantragt werden; abzustellen ist dabei auf den Eingang des Antrags bei dem Integrationsamt. 

Selbstverständlich sind auch hier vor Aussprechen der Kündigung die betriebliche Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat zu hören. Wegen der Bedeutung des Zeitpunktes des Antragseingangs bei dem Integrationsamt sollte der Antrag des Arbeitgebers an das Integrationsamt so verschickt werden, dass der rechtzeitige Eingang des Antrages jederzeit bewiesen werden kann (z. B. Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsquittung durch Boten). 

Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung hat das Inklusionsamt eine Entscheidung innerhalb von zwei Wochen ab Antragseingang zu treffen, anderenfalls gilt die Zustimmung als erteilt. 

Da der Arbeitgeber bei seiner außerordentlichen Kündigung nicht darauf vertrauen kann, dass die Zustimmung als erteilt gilt, wenn er bis zum Ablauf der Zwei-Wochen-Frist keine Entscheidung des Inklusionsamtes erhalten hat, sollte die Entscheidung des Integrationsamtes am letzten oder vorletzten Tag der Frist telefonisch erfragt werden. 

Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung (oder nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist) aussprechen.

4.5. Beendigungsschutz des schwerbehinderten Menschen bei Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf auch dann der vorherigen Zustimmung des Inklusionsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. 

Die Vorschriften des SGB IX über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gelten entsprechend.

4.6 Zwingende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung

Zum Jahresende 2016 ist durch Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes eine Neuregelung in das SGB IX aufgenommen worden, die die Kündigung von schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam macht. So ist in § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX n. F. explizit geregelt, dass eine Kündigung ohne die – bislang schon sanktionsfrei vorgesehene – Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam ist. 

Aufgrund dieser gesetzlichen Neuerung ist es daher bei der Kündigung von Schwerbehinderten zwingend erforderlich geworden, die Schwerbehindertenvertretung von einer beabsichtigten Kündigung zu unterrichten und anzuhören sowie die getroffene Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich mitzuteilen. 

Für die Wirksamkeit einer Kündigung von schwerbehinderten Menschen ist daher nunmehr neben der Zustimmung des Inklusionsamtes und der Anhörung des Betriebsrates auch die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zwingend erforderlich.

5. Zusatzurlaub

Schwerbehinderte Menschen haben nach § 208 SGB IX n. F. Anspruch auf Zusatzurlaub. 

Dies gilt auch dann bereits, wenn ein Feststellungsbescheid noch nicht ergangen ist. Gleichgestellte behinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. Die Dauer des gesetzlichen Zusatzurlaubs beträgt 5 Arbeitstage im Urlaubsjahr ausgehend von einer 5-Tage-Woche. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf weniger oder mehr Arbeitstage in der Kalenderwoche, so erhöht oder vermindert sich der Urlaub entsprechend. Maßgebend ist die persönliche Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen und nicht die des Betriebes. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, die z. B. im Einzelhandel regelmäßig an sechs Arbeitstagen in der Woche arbeiten, haben demgemäß einen Anspruch auf sechs Arbeitstage Zusatzurlaub. Beträgt dagegen die individuelle regelmäßige Arbeitszeit drei oder vier Arbeitstage pro Woche, dauert der Zusatzurlaub ebenfalls drei bzw. vier Arbeitstage. Die tägliche Arbeitszeit spielt bei der Berechnung des Zusatzurlaubs keine Rolle. 

Bei Eintritt oder Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft im Laufe des Kalenderjahres wird der Zusatzurlaub gequotelt. 

Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt. 

Tarifvertraglich sind 6 Arbeitstage Zusatzurlaub vereinbart. Die Bestimmung in § 12 Ziffer 3 MTV lautet: 

„Schwerbehinderte haben einen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von 6 Arbeitstagen im Jahr; als Arbeitstage gelten alle Tage, an denen im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird.“

6. Mehrarbeit

Von Mehrarbeit sind schwerbehinderte Menschen und auch gleichgestellte behinderte Menschen auf Verlangen freizustellen. Die gesetzliche Regelung des § 207 SBG IX n. F. enthält kein Verbot der Mehrarbeit, gibt aber einen unabdingbaren Anspruch auf Befreiung von Mehrarbeit.

7. Erlöschen und Entziehung des Schutzes

Die schwerbehinderten Menschen verlieren alle Rechte aus dem Gesetz, wenn die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 SGB IX entfallen, insbesondere der Grad der Behinderung auf weniger als 50 % absinkt. Anders als bei seinem Beginn endet der Schutz aber erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheids. Der gesetzliche Schutz gleichgestellter behinderter Menschen erlischt mit dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung. 

Bis zum Erlöschen des gesetzlichen Schutzes werden die schwerbehinderten Menschen dem Arbeitgeber auf die Pflichtplatzzahl angerechnet. 

Einem schwerbehinderten Menschen, der einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund zurückweist oder aufgibt oder sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen oder sonst durch sein Verhalten seine Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereitelt, kann das Inklusionsamt im Benehmen mit dem Landesarbeitsamt die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen zeitweilig entziehen. Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen.

8. Schwerbehindertenvertretung

8.1. Wahl, Amtszeit und Aufgaben der Vertrauensperson

In Betrieben, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt werden, sind eine Vertrauensperson und wenigstens ein Stellvertreter zu wählen. Wahlberechtigt sind alle im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Wählbar sind alle in den Betrieben nicht nur vorübergehend beschäftigten Arbeitnehmer (auch Mitglieder des Betriebsrats), die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb seit sechs Monaten angehören. 

Die regelmäßigen Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. November statt. Außerhalb dieser Zeit finden Wahlen nur statt, wenn im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung noch nicht gewählt ist. Die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung erfolgt nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Sie ist geheim und unmittelbar. Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. 

Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb sind die Förderung der Gruppen- und Einzelinteressen der beschäftigten schwerbehinderten Menschen und gleichgestellten behinderten Menschen gegenüber dem Arbeitgeber, schwerbehinderte Menschen sowie gleichgestellte behinderte Menschen zu beraten und ihnen zu helfen, soweit es um die Eingliederung bzw. Beschäftigung und die berufliche Förderung geht. Der Gesetzeskatalog enthält im Einzelnen eine Fülle von Aufgaben und Kompetenzen der Vertrauensperson. Insbesondere hat

8.2. Anhörung der Vertrauensperson

Der Arbeitgeber muss in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen oder gleichgestellte behinderte Menschen im Betrieb berühren, die Vertrauensperson rechtzeitig und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. Damit soll sie Gelegenheit zu einer sachgerechten Stellungnahme bekommen. Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen (§ 178 Abs. 3 SGB IX n. F.). Wie unter 4.6 ausgeführt, muss die Schwerbehindertenvertretung seit Ende 2016 vor Ausspruch einer Kündigung zwingend beteiligt werden, anderenfalls ist die Kündigung unwirksam

8.3. Versammlung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb durchzuführen (§ 178 Abs. 6 SGB IX n. F.). Die für die Betriebsversammlung geltenden Vorschriften finden dabei entsprechende Anwendung (§§ 42 ff BetrVG).

8.4. Besonderer Kündigungsschutz für die Schwerbehindertenvertretung

Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Der Kündigungsschutz bestimmt sich nach §§ 15 und 16 des Kündigungsschutzgesetzes (§ 179 III SGB IX n. F.). Danach ist die Kündigung während der Amtszeit und innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für Änderungskündigungen.

8.5. Freistellungsanspruch

Die Vertrauenspersonen sind gemäß § 179 Abs. 6 SGB IX n. F. von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge zu befreien, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Sind in den Betrieben in der Regel wenigstens 100 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, sind die Vertrauenspersonen auf ihren Wunsch freizustellen. Dies gilt entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind.

9. Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung

Angesichts der zunehmenden Konzernbildung im Wirtschaftsleben wurde durch die Neufassung des Gesetzes die Konzernschwerbehindertenvertretung eingeführt. Die Konzernschwerbehindertenvertretung als zusätzliches Organ der Vertretung schwerbehinderter Menschen muss in Konzernen gewählt werden, in denen für mehrere Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet wurde.

10. Beauftragter des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat einen Beauftragten zu bestellen, der ihn in Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen vertritt. Falls erforderlich, können mehrere Beauftragte bestellt werden. Der Beauftragte des Arbeitgebers hat vor allem darauf zu achten, dass die dem Arbeitgeber obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt werden. Er ist Gesprächspartner der Schwerbehindertenvertretung.

11. Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber, Beauftragten des Arbeitgebers, Vertrauensperson und Betriebsrat

Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers, Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb eng zusammen. Dies geschieht zum Wohle der schwerbehinderten Menschen im Betrieb. Von Fall zu Fall können auch weitere betriebliche Fachkräfte, z. B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder der Betriebsarzt, hinzugezogen werden. Eine besondere Form der gegenseitigen Zusammenarbeit und Unterstützung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

12. Integrationsfachdienst

Die Einrichtung und Aufgaben des Integrationsfachdienstes finden sich in §§ 192 ff. SGB IX n. F. wieder. So gering auch die Rechte des Fachdienstes sind (Auftraggeber, gemeint sind in erster Linie Arbeitsamt und Inklusionsamt, sollen sich seiner Dienste versichern, eine Verpflichtung zur Beteiligung besteht jedoch nicht), so hoch sind auf der anderen Seite die Erwartungen, die der Gesetzgeber an das Gremium knüpft. Die Fachdienste sollen vor allem Eigeninitiative entfalten und Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen auffinden. Das erfordert viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit vor Ort und Konzentration aller Kräfte. Deshalb sollen Bundesanstalt und Inklusionsamt gemeinsam nur einen Träger des Fachdienstes beauftragen und für einen Integrationsfachdienst in möglichst jedem Arbeitsamtsbezirk sorgen. Mit wem und wie die Integrationsfachdienste besetzt werden, ist noch offen. Näheres über den Begriff und Aufgaben des Integrationsfachdienstes, die für ihn geltenden fachlichen Anforderungen und die finanziellen Leistungen muss der Bundesarbeitsminister erst in einer Verordnung niederlegen.

13. Zuständige Inklusionsämter in Bayern:

Region Oberbayern 
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern 
Inklusionssamt
Richelstraße 17
80634 München
Telefon 089 18966-0
Telefax 089 18966-2416
E-Mail inklusionsamt.obb@zbfs.bayern.de 

Region Niederbayern
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Niederbayern
Inklusionsamt
Friedhofstraße 7 
84028 Landshut
Telefon 0871 829-0
Telefax 0871 829-185
E-Mail inklusionsamt.ndb@zbfs.bayern.de 

Region Oberpfalz 
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz
Inklusionsamt
Landshuter Straße 55
93053 Regensburg
Telefon 0941 7809-00
Telefax 0941 7809-1375
E-Mail inklusionsamt.opf@zbfs.bayern.de 

Region Oberfranken
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken
Inklusionsamt
Hegelstraße 2
95447 Bayreuth
Telefon 0921 605-1
Telefax 0921 605-2981
E-Mail inklusionsamt.ofr@zbfs.bayern.de 

Region Mittelfranken
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Mittelfranken
Inklusionsamt Bärenschanzstraße 8 a 90429 Nürnberg
Telefon 0911 928-0
Telefax 0911 928-1945 E-Mail inklusionsamt.mfr@zbfs.bayern.de 

Region Unterfranken
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken
Inklusionsamt
Georg-Eydel-Straße 13
97082 Würzburg
Telefon 0931 4107-01
Telefax 0931 4107-282 E-Mail
inklusionsamt.ufr@zbfs.bayern.de

Region Schwaben
Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Schwaben
Inklusionsamt
Morellstraße 30
86159 Augsburg
Telefon 0821 5709-01
Telefax 0821 5709-5000
E-Mail inklusionsamt.schw@zbfs.bayern.de

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Dr. Melanie Eykmann
Bezirksgeschäftsführerin
Themen: Besondere Vertragsgestaltungen und Personengruppen
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