Das sogenannte Nachweisgesetz legt dem Arbeitgeber sowohl für bestehende, als auch für neu zu begründende Arbeitsverhältnisse besondere Pflichten auf.
Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht Einstellung von Arbeitnehmern
Vorbemerkung
Die tarifvertraglichen Vorschriften gelangen nur zur Anwendung, wenn
- ihre Geltung einzelvertraglich vereinbart wurde oder
- der Arbeitnehmer((GENDERNOTICE)) Mitglied der Gewerkschaft ist und keine Erklärung des Arbeitgebers über den „Ausschluss der Tarifbindung“ abgegeben wurde (vgl. im einzelnen HBE-Praxiswissen „Tarifbindung“). Unter Umständen können bei Abgabe einer derartigen Erklärung die „alten“ Tarifverträge noch für einen erheblichen Nachwirkungszeitraum Geltung beanspruchen.
Kommen die Tarifverträge nicht zur Anwendung, gelten lediglich die gesetzlichen Vorschriften.
§ 2 des Manteltarifvertrages regelt die Mindestinhalte jedes Arbeitsvertrages im bayerischen Einzelhandel. Ein mündlicher oder schriftlicher Arbeitsvertrag, der keine Vereinbarungen zu den dort genannten Positionen (oder nicht zu allen) enthält, ist gleichwohl wirksam.
Das sogenannte Nachweisgesetz legt dem Arbeitgeber sowohl für bestehende, als auch für neu zu begründende Arbeitsverhältnisse besondere Pflichten auf.
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1. Für wen gilt das „Nachweisgesetz“?
Das Nachweisgesetz gilt lediglich für Arbeitnehmer (nicht Auszubildende*). Lediglich vorübergehende Aushilfen, die höchstens einen Monat eingestellt werden, sind vom Anwendungsbereich ausgenommen.
Auch Praktikanten((GENDERNOTICE)), die nach § 22 Abs. 1 des Mindestlohngesetzes als Arbeitnehmer gelten, sind Arbeitnehmer im Sinne des Nachweisgesetzes, § 1 S. 2 NachwG.
Das Nachweisgesetz unterscheidet danach, ob
- ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wird (s. u. 2.),
- ein Arbeitsvertrag bereits besteht (s. u. 3.), oder
- während einem bestehenden Arbeitsverhältnis wesentliche Vertragsbedingungen geändert werden (s. u. 4).
2. Welche Pflichten obliegen dem Arbeitgeber bei Begründung eines Arbeitsver hältnisses?
2.1. Erstellung und Aushändigung eines Nachweises
§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG verpflichtet den Arbeitgeber, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses (nicht nach dem Abschluss des Arbeitsvertrages) dem Arbeitnehmer eine unterzeichnete Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen.
Diese sind:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 NachwG).
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 NachwG).
- Bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Die voraussichtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 NachwG).
- Der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 NachwG).
- Eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 5 NachwG).
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich: Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen, andere Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 6 NachwG).
- Die vereinbarte Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff 7 NachwG).
- Die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 8 NachwG).
- Die Kündigungsfristen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 9 NachwG
- Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 10 NachwG).
2.2. Zwingende (Neu-) Regelungen in Arbeitsverträgen ab 01.08.2022
Aufgrund der Änderungen im Nachweisgesetz sind ab 01.08.2022 zwingend zusätzlich folgende Regelungen in die Arbeitsverträge mit aufzunehmen:
- die Dauer der Probezeit, sofern eine Probezeit vereinbart ist
- die Höhe des Arbeitsentgelts und dessen konkrete Zusammensetzung (Grundvergütung, Überstundenvergütung, etwaige Zuschläge, Sonderzahlungen, Zulagen, Prämien etc.) und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
- sofern Überstunden geleistet werden sollen, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
- etwaige Ansprüche auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen
- bei Zusage einer betrieblichen Altersversorgung sind der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers aufzuführen, es sei denn, der Versorgungsträger ist zu dieser Information verpflichtet
- das bei Kündigungen einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfristen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
- bei befristeten Arbeitsverträgen sind zusätzlich folgende Punkte zu regeln:
- das Enddatum, wenn eine Zeitbefristung vereinbart ist
- die Probezeit muss in angemessenem Verhältnis zur Befristung stehen
- bei Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) ist zusätzlich Folgendes zu dokumentieren:
- die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat
- die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
- der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Er- bringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
- die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat.
- bei Vereinbarungen mobiler Arbeit ist zusätzlich anzugeben, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort frei wählen kann.
2.3. Fristen
Nach bisheriger Rechtslage mussten die Arbeitgeber die im Nachweisgesetz enthaltenen wesentlichen Informationen spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen.
Bei den neuen Arbeitsverhältnissen ab dem 01.08.2022 gibt es gestaffelte Fristvorgaben:
- Angaben zu den Vertragsparteien, zur Vergütung sowie zu den Arbeitszeiten (inkl. Ruhepausen und Ruhezeiten) sind den Arbeitnehmern bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung auszuhändigen.
- Angaben über den Zeitpunkt des Beginns, die Befristung, den Arbeitsort, die Tätigkeitsbeschreibung, die Probezeit, die Angaben zu § 12 TzBfG sowie die Überstunden müssen den Arbeitnehmern spätestens sieben Tage nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden.
- alle anderen Angaben müssen spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden.
Praxistipp
Aufgrund der unübersichtlichen Fristenstaffel ist es ratsam, die kürzeste Frist auf alle Regelungen anzuwenden.
Wichtig
Diese Vorschriften gelten zunächst nur für Neuverträge ab 01.08.2022. Wenn jedoch Arbeitnehmer, mit denen bereits ein Arbeitsverhältnis besteht, den Arbeitgeber zur Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen auffordern, muss der Arbeitgeber ihnen die Niederschrift spätestens am siebten Tag nach dem Verlangen aushändigen.
Das Nachweisgesetz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, mit dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Es verlangt von ihm lediglich einen (einseitigen) vom Arbeitgeber unterzeichneten „Nachweis“ über die genannten Vertragsbedingungen. Dieses muss an den Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
2.4. Einstellung eines Praktikanten
Bei Einstellung eines Praktikanten ist diesem nach § 2 Abs. 1a NachwG die unterzeichnete Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens jedoch vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit auszuhändigen.
Aufzunehmen sind:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 1 NachwG).
- Die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 2 NachwG).
- Beginn und Dauer des Praktikums (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 3 NachwG).
- Die Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 4 NachwG).
- Zahlung und Höhe der Vergütung (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 5 NachwG).
- Dauer des Urlaubs (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 6 NachwG).
- Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind (§ 2 Abs. 1a Satz 2 Ziffer 7 NachwG).
2.5. Werden die HBE-Formularverträge dem Nachweisgesetz gerecht?
Ja: Die Musterformularverträge des HBE (ab Auflage 1995) erfüllen die Anforderungen, die das Nachweisgesetz stellt. Mit der Verwendung dieser Vertragsformulare wird deshalb der gesetzlichen Pflicht genügt.
3. Welche Pflichten obliegen dem Arbeitgeber bei bereits am 20.07.1995 bestehen- den Arbeitsverträgen?
Bestand das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes, wurde aber lediglich ein mündlicher Arbeitsvertrag geschlossen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (nur) auf dessen Verlangen hin eine den obigen Regelungen entsprechende Niederschrift auszuhändigen. Gleiches gilt, wenn ein zwar schriftlicher, aber unvollständiger Arbeitsvertrag vorliegt.
Der Arbeitgeber genügt (in beiden Fällen) seinen Pflichten, wenn er dem Arbeitnehmer die (noch fehlenden) Vertragsbedingungen in einer (ergänzenden) Niederschrift mitteilt. In beiden Fällen ist aber die Niederschrift spätestens innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten, gerechnet ab der entsprechenden Aufforderung durch den Arbeitnehmer, diesem zu erteilen. Den Pflichten wird auch dadurch genügt, wenn nachträglich ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, der den Anforderungen des Nachweisgesetzes genügt.
4. Welche Pflichten obliegen dem Arbeitgeber bei der Änderung wesentlicher Ver- tragsbedingungen?
Im Falle der Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen hat der Arbeitgeber diese - und nur diese - dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Eintreten der Änderung in einer Niederschrift mitzuteilen. Entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes ist der Arbeitgeber jedoch nicht verpflichtet, eine Änderung der Personalien des Arbeitnehmers (Beispiel: Änderung des Namens wegen Heirat) diesem mitzuteilen.
Nimmt der Arbeitsvertrag in zulässiger Weise auf die jeweils gültigen gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge und/oder Betriebsvereinbarungen Bezug, so braucht eine Änderung dieser Regelungen dem Arbeitnehmer ebenfalls nicht mitgeteilt zu werden.
Statt des Nachweises ist es wiederum zulässig, einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen, der den Anforderungen des Nachweisgesetzes genügt. Aus Arbeitgebersicht dürfte es in der Regel sinnvoller sein, einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen bzw. die HBEVertragsmuster zu verwenden, da hierbei insbesondere die Rechte des Arbeitsgebers in ausreichender Form gewahrt werden. Im Gegensatz dazu dient der Nachweis für den Arbeitnehmer lediglich der Fixierung bestehender oder geänderter wesentlicher Vertragsbedingungen.
5. Verstöße gegen das Nachweisgesetz
Während es nach bisheriger Rechtslage keine Sanktionen bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz gab, sind diese nunmehr mit Bußgeldern bedroht. Der Verstoß gegen die Verpflichtung zur schriftlich Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen wird als Ordnungswidrigkeit normiert, die mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2.000,- Euro pro Verstoß versehen werden kann.
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