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Mindestlohn

Vorbemerkung

Seit Januar 2015 gibt es in Deutschland einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wird regelmäßig im 2-Jahres-Rhyhtmus von der Mindestlohnkommission festgesetzt und soll sich an der allgemeinen Tarifentwicklung orientieren, § 9 MiLoG. Die Beschlüsse der Mindestlohnkommission bedürfen zu ihrer allgemeinen Verbindlichkeit allerdings der Umsetzung durch Rechtsverordnung durch die Bundesregierung, § 11 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. 

Seit seiner Einführung im Januar 2015 mit 8,50 € ist der Mindestlohn stetig gestiegen und beträgt aktuell seit 1. Juli 2022 10,45 €. Zum 1. Oktober 2022 wird der Mindestlohn außerplanmäßig, aufgrund gesetzgeberischen Handelns und ohne Festlegung durch die Mindestlohnkommision, auf 12,00 € pro Stunde angehoben.

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1. Anwendungsbereich

Der Mindestlohn gilt für alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, d. h. nicht nur für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, sondern auch für geringfügig Beschäftigte (Minijobber) und kurzfristig Beschäftigte (Saisonkräfte), § 22 Abs. 1 S. 1 MiLoG.

1.1. Minijobber

Bei Minijobbern((GENDERNOTICE)) stellt sich bei jeder Mindestlohnerhöhung - bei Ausschöpfung der maximal möglichen Arbeitszeit - regelmäßig das Problem, dass durch den höheren Stundenlohn die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird. Soll aber der Status als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis erhalten bleiben, muss die Erhöhung des Mindestlohns in diesen Fällen immer zu einer Reduzierung der Arbeitszeit führen und die Stundenzahl entsprechend vermindert werden. 

Parallel zur Erhöhung des Mindestlohns ab 01.10.2022 auf 12,00 € erfolgt nun erstmalig auch eine Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 € auf 520,00 €. Damit kann ein Mitarbeiter ab Oktober 2022 dann 43,33 Stunden im Monat arbeiten, ohne die Geringfügigkeitsgrenze zu überschreiten. 

Auch dann, wenn eine Flexibilisierung des monatlichen Arbeitszeitvolumens über die schriftliche Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos herbeigeführt wird, ergeben sich durch die Erhöhung des Mindestlohns Folgen für die maximal mögliche Jahresarbeitszeit. Die Voraussetzungen für eine Sozialversicherungsfreiheit (mit Ausnahme der Rentenversicherung) liegen bei Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos dann vor, wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt im Durchschnitt einer Jahresbetrachtung (bisher 450,00 € und künftig 520,00 €) nicht überschreitet.

1.2. Praktikanten

Darüber hinaus gilt der Mindestlohn grundsätzlich auch für Praktikanten, § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG. Praktika dienen dem Erwerb beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen, ohne dass es sich um eine systematische Berufsausbildung handelt. Tritt der Erwerb von Berufserfahrung gegenüber der Verpflichtung zur Arbeitsleistung in den Hintergrund, handelt es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein „Scheinpraktikum“, ein mit falschem Namen bezeichnetes Arbeitsverhältnis. In diesem Fall ist immer der Mindestlohn maßgeblich.

Für bestimmte Praktika sieht das Gesetz jedoch einige Ausnahmen vor: 

  • Pflichtpraktikum, § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG:
    Im Rahmen einer Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie, hierfür ergibt sich die zeitliche Beschränkung aus den Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnungen. Unter diese Ausnahme fallen auch die betrieblichen Praxisphasen bei einem dualen Studium. 
Praxistipp

Im Falle eines Pflichtpraktikums sollte die entsprechende Schul-/Ausbildungs- /Studienordnung und Studienbescheinigung zu den Personalunterlagen genommen werden. Die Höchstdauer für Praktika ist unbedingt einzuhalten. Bei einem Überschreiten des vorgeschriebenen Praktikumszeitraums entsteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn rückwirkend ab dem ersten Tag des Praktikums.

  • Orientierungspraktikum, § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG:
    Praktikum von maximal drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder ein Studium. Wegen des Orientierungszwecks muss dieses Praktikum zeitlich vor der Aufnahme der darauf bezogenen Berufsausbildung bzw. des Studiums liegen. Spätestens nach Abschluss eines Bachelorstudiums ist regelmäßig kein Orientierungspraktikum mehr möglich.
  • Berufsbegleitendes Praktikum, § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG:
    Praktikum von maximal drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung, sofern nicht bereits zuvor ein solches Praktikum beim gleichen Ausbildenden absolviert wurde. Ausbildender meint hier nicht die Person des Ausbilders, sondern die rechtliche Persönlichkeit des Ausbildenden, also das ausbildende Unternehmen. Unter den Ausnahmetatbestand der Nr. 3 fallen freiwillige Praktika, die begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung geleistet werden sowie regelmäßig auch Praktika, die zwischen dem Abschluss eines Bachelor- und vor Aufnahme eines Masterstudiums erfolgen. Die Hochschulausbildung wird insoweit als eine Einheit betrachtet, sofern ein solches Praktikum nicht bereits unter Nr. 1 fällt, weil die Masterstudienordnung dies verpflichtend vorschreibt. 

Die Ausnahmeregelung des Nr. 3 darf bezogen auf den denselben Ausbildenden und den jeweiligen Ausbildungsgang nur einmal in Anspruch genommen werden. Ein zuvor absolviertes anderes Praktikum gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 MiLoG bei demselben Ausbildenden ist unschädlich und löst keinen Mindestlohnanspruch aus. Es sollte dann aber auch ausreichend dokumentiert werden, dass sich die Praktika – Orientierungspraktika, studienbegleitende Praktika, Pflichtpraktika – vom Sinn, Zweck und Inhalt her deutlich unterscheiden.

Achtung

Bei einem Überschreiten des 3-Monats-Zeitraums entsteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn rückwirkend ab dem ersten Tag des Praktikums. Das Praktikum kann allerdings in sehr engen Grenzen aus Gründen in der Person des Praktikanten rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten wird.

  • Sonderfall: Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III (EQJ-Programme) oder Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 Berufsbildungsgesetz, § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MiLoG. 

Vom Mindestlohn nicht erfasst werden Verträge, bei denen Studierende im Rahmen ihres Studienabschlusses in Unternehmen mit der Anfertigung ihrer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt sind, sofern sie sich nicht zu anderweitigen Arbeitsleistungen verpflichten. Es handelt sich dabei um ein besonderes Vertragsverhältnis, welches weder ein Arbeitsnoch ein Praktikantenverhältnis darstellt und damit vom Mindestlohnanspruch nicht erfasst wird. 

Zu beachten ist ferner, dass auch nach §§ 26, 17 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ein freiwilliger Praktikant Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat, sofern es sich nicht um Praktika im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG handelt. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt als ausreichend angesehen. Das Mindestlohnniveau muss dabei nicht erreicht werden.

1.3. Ausnahmen

Der Mindestlohnanspruch gilt nicht für: 

  • unter 18-jährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung, § 22 Abs. 2 MiLoG 
  • Auszubildende und ehrenamtlich Tätige, § 22 Abs. 3 MiLoG 
  • Langzeitarbeitslose gemäß § 18 Abs. 1 SGB III in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung und auch für sonstige von § 26 BBiG erfasste Vertragsverhältnisse, die keine Arbeits- oder Praktikantenverhältnisse sind
Achtung

Unklar ist, wie die Langzeitarbeitslosigkeit rechtssicher nachgewiesen werden kann. Der Arbeitgeber sollte sich bei der Neueinstellung des Arbeitslosen von diesem durch Unterlagen der Arbeitsagentur oder des Jobcenters unbedingt nachweisen lassen, dass er bereits mindestens ein Jahr arbeitslos ist. Der Nachweis sollte zu den Unterlagen genommen werden.

2. Höhe

Übersicht über den Mindestlohn seit 01.01.2015:

JahrMindestlohn
2022 (ab 01.10.)12,00 €
2022 (01.07.)10,45 €
2022 (01.01.)9,82 €
2022 (01.07.)9,60 €
2021 (01.01.)9,50 €
20209,35 €
20199,19 €
20188,84 €
20178,84 €
20168,50 €
20158,50 €

Erfüllt ist der Mindestlohnanspruch jeweils, wenn die dem Arbeitnehmer für den Kalendermonat gewährte Bruttoentlohnung mindestens den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl seiner in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit der Höhe des gesetzlichen Mindeststundenlohns ergibt. 

Wird dem Arbeitnehmer ein verstetigtes Monatsentgelt gewährt, ist es irrelevant, welcher konkrete Wochenfaktor für die Berechnung der durchschnittlich pro Monat zu leistenden Arbeitsstunden anzusetzen ist. Entscheidend ist vielmehr nur, wie viele Zeitstunden der Arbeitnehmer tatsächlich geleistet und welche Vergütung er hierfür erhalten hat. Jeder Monat ist dabei gesondert zu betrachten. 

Das MiLoG macht den Mindestlohnanspruch im Übrigen auch nicht von der Art der Arbeit oder dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers abhängig, so dass auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes mindestens mit dem jeweils geltenden gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten sind. Leistet der Arbeitnehmer Vollarbeit und Bereitschaftsdienst, ist der Mindestlohnanspruch (nur) erfüllt, wenn er für die in einem Kalendermonat tatsächlich erbrachte Arbeitszeit (einschließlich der Zeiten des Bereitschaftsdienstes) mindestens die Bruttovergütung erhält, die dem Produkt der Gesamtstunden mit dem Mindestlohn entspricht. 

Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten, beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Der Mindestlohnanspruch darf nicht umgangen werden. Eine Abweichung bei der Vergütung unterhalb des Mindestlohns ist ausgeschlossen. Das MiLoG legt das unterste Entgeltniveau fest.

3. Anrechnungsmöglichkeiten

Das MiLoG trifft keine Aussage dazu, welche Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden können. Bei der Anrechenbarkeitsfrage ist zu berücksichtigen, dass der Mindestlohn „je Zeitstunde“ zu gewähren ist und nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht insoweit von einem umfassenden Entgeltbegriff aus und tendiert dahin, alle Geldleistungen des Arbeitgebers, die Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sind, als mindestlohnwirksam und somit mit dem Mindestlohn verrechenbar zu betrachten. Der Arbeitgeber erfüllt den Mindestlohnanspruch jedoch nur, soweit die im Synallagma stehenden monatlichen Zahlungen dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben, er diese also vorbehaltlos und unwiderruflich erbringt (vgl. BAG vom 25.05.2016, AZ: 5 AZR 135/16). 

Anmerkung
Häufig sehen tarifliche Sonderzahlungen vor, dass die Sonderzuwendung zurückzuzahlen ist, wenn Arbeitnehmer aus bestimmten von ihm verschuldeten Gründen ausscheiden. Eine solche Regelung steht der o.g. „Unwiderruflichkeit“ jedoch entgegenstehen. Nach der derzeitigen Rechtsprechung können folgende monatlich gewährte Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet und den Mindestlohnanspruch – zusammen mit dem Grundlohn – erfüllen: 

  • Zuschläge und Zulagen, deren Zahlung zumindest einen der folgenden Aspekte voraussetzt: Arbeit zu besonderen Zeiten (z. B. Mehrarbeit, Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit), Arbeit unter erschwerten oder gefährlichen Bedingungen (z. B. Schmutz- oder Gefahrenzulagen), mehr Arbeit pro Zeiteinheit (z. B. Akkordprämien), überdurchschnittliche qualitative Arbeitsergebnisse (z. B. Qualitätsprämien),
  • Einmalzahlungen, wie etwa Weihnachtsgeld, wenn dies unwiderruflich, bedingungslos und jeweils zeitanteilig umgerechnet (in der Regel mit einem Zwölftel) jeweils monatlich gezahlt wird, 
  • Zuschläge, Zulagen und Prämien, mit denen lediglich die regelmäßige und dauerhaft vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird (z.B. Anwesenheits- und Treueprämien). 

Nicht anrechenbar sind Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen. Dazu zählen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts etwa:

  • Zuschläge für Nachtarbeit,
  • Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und sonstige vermögenswirksame Leistungen, 
  • Aufwendungsersatz oder Aufwandsentschädigungen, wie z. B. Erstattung von Fahrtkosten, Zahlungen oder Pauschalen für Verpflegungs- und Reisekosten, 
  • Entsendezulagen, 
  • Urlaubsgeld, das zusätzlich zum Urlaubsentgelt gewährt wird.

 Anmerkung:
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein (auch tarifliches) Urlaubsgeld, das akzessorisch an das Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub anknüpft, einen arbeitsleistungsunabhängigen Zweck erfüllt und nicht der Vergütung für geleistete Arbeit dient, sodass Mindestlohnansprüche dadurch nicht erfüllt werden können. 

Nicht anrechenbar sind – unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze – ferner folgende Arbeitgeberleistungen sein: 

  • Einmalzahlungen, wie etwa Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, wenn diese Leistung nur einmal jährlich erfolgt. Dann kann eine Anrechnung nur im Auszahlungsmonat erfolgen. 

Anmerkung:
Zwar wird hierzu auch vertreten, dass eine „nachträgliche“ Jahressonderzahlung auch Vergütungscharakter hat, wenn sie verspätet gezahlt wird, also nur einmal im Jahr nachträglich. Auch verspätete Zahlungen können insoweit ggf. Erfüllungswirkung haben, wenn sie zumindest auch für geleistete Arbeit gezahlt werden. Allerdings würde der Arbeitgeber in diesem Falle eine Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG begehen, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € geahndet werden kann. Denn er würde dann Mindestlohn dann nicht rechtzeitig gezahlt haben. 

Insoweit würde sich bei jährlichen Zahlungen anbieten, diese entweder im Voraus zu leisten, damit das Mindestlohngesetz nicht entgegensteht, sofern diese Leistungen unwiderruflich und vorbehaltlos erfolgen, in jedem Falle also beim Arbeitnehmer verbleiben, oder die Jahressonderzahlung zu zwölfteln und anteilsmäßig in jedem Monat zur Auszahlung zu bringen. 

  • Werkzeuggeld oder Wäschegeld, soweit es der Erstattung der bei Arbeitnehmern tatsächlich angefallenen Kosten dient, 
  • vom Arbeitgeber gestellte Dienstkleidung, 
  • Mankogeld, 
  • Trinkgeld, da es sich um eine freiwillige Leistung Dritter, nicht aber des Arbeitgebers handelt, 
  • die 30-prozentige Pauschalabgabe auf Minijobs. Lediglich hinsichtlich der 2-prozentigen Pauschalsteuer kann eine Abwälzung auf den Arbeitnehmer erfolgen. 

Eine Entlohnung im Wege der Gewährung von Sachbezügen, also Leistungen des Arbeitgebers, die dieser als Gegenleistung für die Arbeitsleistung in anderer Form als in Geld zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs erbringt, ist grundsätzlich unzulässig. Dies gilt etwa in Bezug auf 

  • die Überlassung eines Dienstwagens oder eines Fahrrads auch zur privaten Nutzung, 
  • Personalrabatte, die zwar eine Form des Arbeitsentgelts darstellen, aber keine Geldleistung.

Auch eine (teilweise) Aufrechnung des Mindestlohnanspruchs mit solchen nicht berücksichtigungsfähigen Arbeitgeberleistungen ist wegen § 3 MiLoG nicht zulässig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur bezüglich der Entlohnung von Saisonarbeitern, soweit es um die Anrechnung von Kost und Logis geht.

3.1. Vereinbarung von Stücklohn, Akkordlohn, Umsatzbeteiligung, Provisionen und Bonuszahlungen

Die Vereinbarung von leistungs- statt zeitbezogenem Lohn, insbesondere von Stücklöhnen oder Akkordlöhnen, bleibt – ausweislich der Gesetzesbegründung – auch nach Einführung des Mindestlohns zulässig. Jedoch muss sichergestellt sein, dass für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der Mindestlohn immer auch erreicht wird. Das gilt auch, wenn als Vergütung eine Umsatzbeteiligung, Bonuszahlung oder Provision vereinbart wurde.

3.2. Anrechnungsmöglichkeiten tarifvertraglicher Entgeltbestandteile

Die Anrechnungsmöglichkeiten von tarifvertraglichen Entgeltbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn sind sehr überschaubar.

3.2.1. Tarifliche Zuschläge

Neben den tariflichen Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit, Mehrarbeitszuschlägen, Spätöffnungszuschlägen sowie Zuschlägen für Wechselschicht nach § 8 MTV dürften keine weiteren tarifvertraglich gewährten Entgeltbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden können. 

Nachtarbeitszuschläge (nach § 7 Ziff. 2, § 8 MTV) sind hingegen nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. In der bereits zitierten Entscheidung des BAG vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, hat das BAG Nachtzuschläge ausdrücklich von der Anrechenbarkeit ausgenommen; diese seien keine Gegenleistung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und würden damit nicht den Mindestlohn des Arbeitnehmers erfüllen. Vielmehr würde die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen auf einer besonderen Zweckbestimmung beruhen.

3.2.2. Tarifliche Sonderzahlungen

Das tarifliche Urlaubsgeld nach § 3 TV Sonderzahlung und die tarifliche Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) nach § 4 TV Sonderzahlung sind hingegen nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. 

Hinsichtlich des tariflichen Urlaubsgelds hat das Bundesarbeitsgericht hierzu mit seiner Entscheidung vom 20.09.2017, Az.: 10 AZR 171/16, entschieden, dass ein tarifliches Urlaubsgeld, das akzessorisch an das Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub anknüpft, einen arbeitsleistungsunabhängigen Zweck verfolgt und nicht der Vergütung für geleistete Arbeit dient. Mindestlohnansprüche können dadurch nicht erfüllt werden. Dagegen sprechen auch Wartezeit- und Rückforderungs- bzw. Kürzungs- und Erlöschenstatbestände, vgl. § 3 Nr. 2 c) TV Sonderzahlung. 

Aber auch dann, wenn das tarifliche Urlaubsgeld nicht akzessorisch ausgestaltet sein sollte, dürfte ein solches, zusätzlich zum Urlaubsentgelt gewährtes Urlaubsgeld nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen anzusehen sein und bereits deshalb einer Anrechnung auf den Mindestlohn nicht zugänglich sein.

Die darüber hinausgehende tarifvertragliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) nach § 4 TV Sonderzahlung, die spätestens zum 30. November eines laufenden Jahres zu zahlen ist, ist ebenfalls nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. 

Dies zunächst einmal deshalb, weil diese Sonderzahlung (sog. Weihnachtsgeld), nur einmal jährlich ausgezahlt wird, sodass nur eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn im Auszahlungsmonat zunächst in Betracht kommt. Zwar wird hierzu auch vertreten, dass eine „nachträgliche“ Jahressonderzahlung Vergütungscharakter haben kann; nach Auffassung des BAG können verspätete Zahlungen insoweit Erfüllungswirkung haben, wenn sie zumindest auch für geleistete Arbeit gezahlt werden. Allerdings erlangt hierbei dann § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG Bedeutung. Der Arbeitgeber würde in diesem Falle nicht den kompletten Mindestlohn rechtzeitig zahlen, sodass dies eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € geahndet werden kann. 

Entscheidend kommt aber ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, der einer Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn entgegensteht. Die tarifvertragliche Sonderzuwendung ist nach § 4 Ziff. 3 TV Sonderzahlung dann zurück zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer „wegen verschuldeter fristloser Kündigung oder wegen einer vertragswidrigen Lösung des Arbeits- und Ausbildungsverhältnisses aus dem Betrieb ausscheidet“. Schädlich für die Anrechnung sind ggf. auch Kürzungsmöglichkeiten bei von fehlenden Vergütungsansprüchen für Zeiträume, in denen noch Entgeltansprüche entstanden sind. Entscheidend für eine Anrechnung von Entgeltbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn ist aber, dass diese vorbehaltlos und unwiderruflich den Arbeitnehmern gewährt werden, sie also endgültig bei den Arbeitnehmern verbleiben und eben nicht zurückgefordert werden können. Insoweit dürfte weitere tarifvertraglich verankerte Kürzungsmöglichkeiten sowie die ebenfalls tarifvertraglich verankerte „Wartezeit“ Bedeutung haben.

Achtung

Die Beschäftigungsgruppe I B des bayerischen Gehaltstarifvertrages erfüllt im 1. Tätigkeitsjahr mit 10,79 €/Std. und im 2. Tätigkeitsjahr mit 11,44 €/Std. den geplanten gesetzlichen Mindestlohn von 12,00 € ab 01.10.2022 nicht. Soweit dieser auch nicht durch Anrechnung der oben genannten Zuschläge erreicht wird, ist zu empfehlen, mit den jeweiligen Mitarbeitern eine einzelvertragliche Zusatzvereinbarung auf Zahlung des Mindestlohns zu schließen. Alternativ kann durch eine verbindliche Zusage des Arbeitgebers eine die entsprechende Erklärung abgegeben werden (vgl. Anlage 1, 2).

Mit einer solchen Formulierung wäre auch gewährleistet, dass ein etwaiger Aufstockungsbetrag von einer etwaigen Tariflohnerhöhung aufgezehrt wird.

4. Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub

Für Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber mit fortbestehendem Vergütungsanspruch, folgt dieser nicht aus dem MiLoG, sondern aus der speziellen Anspruchsnorm, wie etwa dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) oder dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Aus dem danach maßgeblichen Entgeltfortzahlungsprinzip ergibt sich, dass der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn sich aus einem anderen Rechtsgrund ein höherer Entgeltanspruch ergibt. 

Der Mindestlohn wirkt sich in den ersten Monaten nach seiner jeweiligen Erhöhung auch auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie das während des Erholungsurlaubs des Arbeitnehmers zu zahlende Urlaubsentgelt aus. Im Krankheitsfall ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Entgelt fortzuzahlen (§ 4 Abs. 1 EFZG). Erhöht sich dieses durch die Anpassung des Mindestlohns, ist dies bei der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen. Gleiches gilt für das Urlaubsentgelt. Hier gilt zwar im Grundsatz, dass der durchschnittliche Verdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt zugrunde zu legen ist (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Jedoch wäre eine Erhöhung des Mindestlohns als dauerhafte Entgelterhöhung, die in diesen 13 Wochen oder während des Urlaubs eintritt, maßgeblich für die Urlaubsentgeltberechnung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BUrlG).

5. Fälligkeit

Der Mindestlohn ist zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens jedoch zum letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen (vgl. § 2 Abs. 1 MiLoG). Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage sind keine Bankarbeitstage, sodass die Fälligkeit spätestens am davorliegenden Werktag eintreten würde. 

Wurde keine Fälligkeitsabrede getroffen, so ist nach § 614 BGB die Vergütung nach Ablauf des jeweils vereinbarten Zeitabschnitts zu entrichten. Eine Monatsvergütung ist danach am Monatsende der Leistungserbringung fällig. 

§ 2 MiLoG regelt die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs nur bezogen auf die gesetzliche Mindestlohnhöhe. Ein darüberhinausgehender Entgeltanspruch wird von den Regelungen des MiLoG nicht erfasst. 

Eine Sonderregelung trifft § 2 Abs. 2 MiLoG für Mehrarbeitsstunden, die in sogenannten Arbeitszeitkonten eingestellt werden. Es handelt sich dabei um klassische sogenannte FlexiKonten. Die Regelung setzt eine schriftliche Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto voraus, z.B. im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. In das Arbeitszeitkonto darf monatlich maximal ein Arbeitszeitguthaben von bis zu 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit eingebracht werden.

Achtung

Spätestens nach 12 Monaten nach der Erfassung der Mehrarbeit im Arbeitszeitkonto ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG der auf die Vergütung entfallende Mindestlohnanteil durch eine entsprechende bezahlte Freistellung oder Auszahlung auszugleichen. Entgeltanteile, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehen, werden von dieser Regelung nicht erfasst. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Ausgleich im folgenden Kalendermonat zu erfolgen

Beispiel:

Bei einer vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von 18,75 Wochenstunden beträgt die monatliche Arbeitszeit 81,5 Stunden. In das Arbeitszeitkonto dürfen monatlich maximal 40,75 zusätzliche Mehrarbeitsstunden eingestellt werden.

Wurde eine solche Arbeitszeitkontenvereinbarung schriftlich vereinbart und übersteigt die Arbeitszeit 50 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit, muss der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für die überschießenden Arbeitsstunden mit dem Monatsarbeitsentgelt auszahlen.

Diese Vorgaben sind gem. § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG nicht einschlägig, „soweit der Anspruch auf den Mindestlohn bereits durch die Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist“. Es ist dann jeweils per „Schattenrechnung“ zu ermitteln, ob das tatsächlich gezahlte und auf den Mindestlohn anrechenbare Monatseinkommen unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsleistung mindestens den darauf entfallenden Mindestlohnbetrag erreicht.

Beispiel:

Bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Wochenstunden und einem monatlichen Divisor von 163 beträgt das vertraglich vereinbarte Monatsgehalt 2.200 €. Werden nun in einem Monat zehn Überstunden geleistet, so wären mindestens 173 Stunden mit dem Mindestlohn zu vergüten. Das ergibt einen Betrag von 2.076,00 € (173 h x 12,00 € - Mindestlohn ab 1.10.22). Da das gezahlte Monatsgehalt von 2.200 € den Anspruch auf den Mindestlohn übererfüllt, können in diesem Fall die Mehrarbeitsstunden auch länger als 12 Monate im Arbeitszeitkonto verbleiben.

Die Fälligkeitsregelungen finden gemäß § 2 Abs. 3 MiLoG keine Anwendung auf Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Dabei handelt es sich sowohl um Altersteilzeitvereinbarungen als auch um sogenannte Langzeitkontenregelungen gemäß § 7b SGB IV. Diese Wertguthaben werden aufgebaut, um eine bezahlte Freistellung im Rahmen der Pflegezeit, Elternzeit, im Zusammenhang mit einer Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit, während der Teilnahme an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen oder unmittelbar vor Renteneintritt zu ermöglichen. Hier soll gezielt ein Wertguthaben über einen längeren Zeitraum angespart werden, sodass eine frühe Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs derartigen Vereinbarungen widersprechen würde. Der Aufbau eines Wertguthabens bedarf einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung

6. Ausschlussfristen und Verjährung

Nach der Rechtsprechung des BAG sind Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen, die die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis an eine bestimmte Frist binden, unwirksam, wenn sie nicht zwischen den Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn und sonstigen Ansprüchen unterscheiden. Das gilt jedenfalls, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurde. Eine tarifvertragliche Ausschlussfrist, die Mindestlohnansprüche nicht ausnimmt, ist dagegen nur teilweise (d. h. nur soweit sie den Mindestlohnanspruch betrifft), nicht aber insgesamt unwirksam. Darüber hinausgehende (Teil-)Ansprüche bleiben daher unberührt. 

Ein wirksamer Verzicht auf den Mindestlohnanspruch ist nur hinsichtlich bereits entstandener Ansprüche durch gerichtlichen Vergleich, an dem das Gericht tatsächlich mitgewirkt hat, möglich. Auch eine Verwirkung des Mindestlohnanspruchs ist ausgeschlossen (§ 3 Satz 3 MiLoG). Der Arbeitgeber kann also nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer den Mindestlohn nicht mehr geltend macht, selbst wenn das Arbeitsverhältnis beispielsweise schon seit zwei Jahren beendet ist, es sei denn, der Arbeitnehmer hat im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf weitere Lohnforderungen verzichtet. 

Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber zeitlich unbegrenzt Nachforderungen der Arbeitnehmer befürchten muss. Denn auch der Mindestlohnanspruch unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB) und beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 BGB). Bei der Verjährung bleibt der Anspruch zwar dem Grunde nach bestehen, der Arbeitgeber kann aber die Leistung verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB), indem er sich auf die Verjährung beruft

7. Aufzeichnungspflichten

In § 17 MiLoG ist festgelegt, welche Aufzeichnungen der Arbeitgeber im Zusammenhang mit den Mindestlohnansprüchen zu führen hat und welche Dokumente aufzubewahren und für Prüfungen bereitzuhalten sind. 

Sind im Unternehmen geringfügig Beschäftigte, sogenannte Minijobber, angestellt oder werden Arbeitnehmer aus den Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen von § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (bspw. Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe) oder Zeitarbeitnehmer beschäftigt, sind für diese Mitarbeiter gesonderte Aufzeichnungen über die Arbeitszeit zu führen. 

Hintergrund:

§ 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz erfasst derzeit das Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen und Unternehmen in der Fleischwirtschaft - nicht aber den Einzelhandel. Daher beschränken sich die Aufzeichnungspflichten für Einzelhandelsunternehmen bisher alleine auf die geringfügig Beschäftigten.

Durch die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung wurden im Betrieb des Arbeitgebers mitarbeitende Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen. Gleiches gilt analog für Angehörige von Organmitgliedern, wenn der Arbeitgeber eine juristische Person ist. Für die vom Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz erfassten Branchen wurden Schwellenwerte eingeführt (2.958 € Bruttomonatsgehalt), oberhalb dessen die Aufzeichnungspflicht entfällt. Sie entfällt auch, wenn dem Arbeitnehmer nachweislich in den letzten 12 Monaten ein verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt von mehr als 2.000 € brutto gezahlt wurde.

Sofern eine Aufzeichnungspflicht besteht, muss der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 MiLoG Beginn, Ende und Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit dieser Mitarbeiter aufzeichnen.

Zwar ist der Arbeitgeber bzw. Entleiher berechtigt, die Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer bzw. Zeitarbeitnehmer zu übertragen. Verantwortlich dafür, dass die Arbeitszeiten tatsächlich aufgezeichnet werden, bleibt jedoch der Arbeitgeber bzw. Entleiher. Die Aufzeichnungen müssen spätestens bis zum Ablauf des siebten Tages nach dem Tag der Arbeitsleistung erstellt sein und die Aufzeichnungen ab dem Zeitpunkt der Erstellung mindestens zwei Jahre lang vom Arbeitgeber bzw. Entleiher aufbewahrt werden.

Der Arbeitgeber hat weiterhin gemäß § 17 Abs. 2 MiLoG die für eine Kontrolle erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten. Dazu gehören alle Unterlagen, die die Behörde in die Lage versetzen, die Bezahlung des Mindestlohns zu kontrollieren. Dazu gehören z. B. die schriftlich niederzulegenden Arbeitsbedingungen nach § 2 Nachweisgesetz, Arbeitszeit-nachweise, Lohnlisten, Urlaubspläne, Nachweise hinsichtlich Zeiten ohne Entgeltanspruch (Langzeiterkrankung). Diese Bereithaltungspflicht umfasst zeitlich die gesamte Dauer der Beschäftigung, insgesamt jedoch höchstens zwei Jahre. Nur auf ausdrückliches Verlangen der Prüfbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten.

Das Bundesministerium für Finanzen kann durch Rechtsverordnung hinsichtlich der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsfristen vereinfachende oder abwandelnde Regelungen treffen.

8. Kontrolle

Zuständige Prüfbehörde für die Einhaltung der Vorschriften des Mindestlohngesetzes ist gemäß § 14 MiLoG der Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit – FKS). § 15 MiLoG macht allerdings deutlich, dass daneben die Zuständigkeiten der weiteren Behörden nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bestehen bleiben (Finanzbehörden, Agenturen für Arbeit, Beitragseinzugsstellen der Sozialversicherung, Prüfdienste der Renten- und Unfallversicherung). Der Prüfungsumfang beschränkt sich auf die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften. 

Die Prüfungen der FKS erfolgen in der Regel überraschend und vor Ort durch uniformierte und bewaffnete Beamte des Zolls. Zu den Befugnissen gehören das Betreten von Geschäftsräumen und Grundstücken während der Geschäftszeiten, die Einsichtnahme von mit der Entlohnung in Zusammenhang stehenden und am Ort befindlichen Geschäftsunterlagen, die Befragung von Personen bspw. zur Feststellung der Personalien. Sind relevante Geschäftsunterlagen in der Datenverarbeitung gespeichert, hat der Arbeitgeber sie auf Verlangen auf automatisiert verarbeitbare Datenträger oder in Listen zu übermitteln. Die Feststellung der Identität kann sowohl Mitarbeiter als auch zufällig anwesende Kunden betreffen. Die Mitarbeiter - nicht aber die Kunden - dürfen von den Zollbeamten hinsichtlich der Einhaltung der Mindestlohnvorschriften befragt werden. Die Befragten dürfen eine Auskunft oder Mitwirkung nur verweigern, wenn sie sich sonst damit selber wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit belasten würden. Von den Prüf-Befugnissen nicht erfasst sind Durchsuchungen.

9. Durchgriffshaftung

§ 13 MiLoG begründet eine spezielle Durchgriffshaftung für Mindestlohnverstöße von Fremdfirmen. Die Vorschrift verweist auf § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Danach haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstverträgen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestlohns wie ein Bürge, der auf die Einrede der Voraus-klage verzichtet hat.

9.1. Inhalt, Umfang und Bedeutung der „Bürgenhaftung“

Die „Bürgenhaftung“ bedeutet, dass der Auftraggeber einstehen muss, wenn ein Dienst- oder Werkvertragsunternehmen (z. B. der Paketdienst oder ein Handwerker) seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn nicht oder nicht vollständig zahlen will oder kann. Die Frage, welchen Umfang diese Haftung hat - Beschränkung auf eine Generalunterhaftung oder Haftung für alle Werk- und Dienstverträge - ist rechtlich bislang äußerst umstritten. Hier muss der Auftraggeber bislang mangels Klarstellung im Gesetz oder der Gesetzesbegründung aufgrund des Gesetzeswortlauts schlimmstenfalls davon ausgehen, dass es nicht alleine um eine Generalunternehmerhaftung, sondern um eine Haftung im Rahmen aller abgeschlossener Dienst- oder Werkverträge geht.

Beispiel:
Beauftragung von Logistikunternehmen, Handwerkern, Werbeagenturen etc. Der Auftragnehmer hat seinen Mitarbeitern im vergangenen Monat keinen Lohn gezahlt und auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Die Mitarbeiter wenden sich nun an den (solventeren) Auftraggeber und fordern von ihm den Mindestlohn für einen ganzen Monat ein. Der Auftraggeber kann sie nicht darauf verweisen, dass sie sich zuerst an ihren Arbeitgeber wenden müssten.

Risiko:

Die Haftung greift nicht nur bei Verstößen des eigenen Vertragspartners, sondern bei Verstößen aller Subunternehmer in der Kette. Sie ist betragsmäßig auf das sich aus dem Mindestlohn ergebende Nettoentgelt (ohne Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) begrenzt.

Die Haftung entspricht der bei einer sogenannten selbstschuldnerischen Bürgschaft. Der Arbeitnehmer der Fremdfirma muss sich also nicht darauf verweisen lassen, erst gegen die Fremdfirma (seinen Arbeitgeber) die Zwangsvollstreckung zu betreiben; er kann direkt gegen den Auftraggeber vorgehen. Ein vertraglicher Ausschluss der Haftung ist nicht möglich.

Hinweis

Noch ungeklärt ist, ob eine Haftung gegenüber Entgeltansprüchen von Mitarbeitern eines beauftragten Werk- oder Dienstleistungsunternehmens oder von Subunternehmern auch für den Fall eintritt, dass dieses Unternehmen insolvent wird.

9.2. Haftungsbefreiung und Sorgfaltsmaßstab

Der Auftraggeber kann sich von dieser Haftung durch vertragliche Vereinbarung mit der Fremdfirma nicht freizeichnen.

Hinweis

Für die Vertragsgestaltung mit Fremdfirmen ist jedenfalls die Aufnahme einer Bestätigung empfehlenswert, dass der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird und dass die Fremdfirma nicht von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen ist. Die Bundesteuerberaterkammer hat darauf hingewiesen, dass Steuerberater ihren Mandanten die Einhaltung der Mindestlohnregelungen bescheinigen dürfen und stellt dazu eine Muster-formulierung zur Verfügung. Steuerberater sind im Hinblick auf die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zur Erstellung dieser Bescheinigungen befugt. Da es sich um eine Nebenleistung zur Lohn- und Gehaltsbuchführung handelt, stellt die Erstellung der Bescheinigung eine zulässige Rechtsdienstleistung dar. Die Bescheinigung kann wiederum einem Auftragnehmer die Möglichkeit geben, gegenüber seinem Auftraggeber die Bezahlung nach dem Mindestlohngesetz nachzuweisen. Gleichzeitig ist die Ausstellung einer Bescheinigung durch den Steuerberater, dass die Vorschriften des Mindestlohngesetzes durch den Mandanten eingehalten wurden, über die Berufshaftpflichtversicherung versichert. Steuerberater und ihre Mandanten sind damit im Falle eines Fehlers vor finanziellen Schäden geschützt.

Weiterhin sollten Kontrollmöglichkeiten oder finanzielle Sicherheiten (Barinhalte, Bürgschaften etc.) vereinbart werden. Wenn es während der Vertragslaufzeit konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Mindestlohn tatsächlich nicht gezahlt wird, z. B. durch Hinweise von Mitarbeitern, reicht eine solche Bestätigung allein jedoch nicht aus. Für diesen Fall sollte mit dem Auftragnehmer die Stellung einer Bürgschaft, eine Freistellung von Mindestlohnansprüchen aus § 13 MiLoG, ein Leistungsverweigerungsrecht und/oder eine Vertragsstrafe vereinbart werden. Dies alleine schützt jedoch nicht vor der Inanspruchnahme aufgrund Verfehlungen weiterer Nachunternehmer in einer Kette. 

Durch das MiLoG werden keine neuen oder zusätzlichen Instrumentarien geschaffen, die Fremdfirma zu kontrollieren. Insbesondere bleibt es bei den datenschutzrechtlichen Regelungen, die den Zugriff auf die Personalakten der Fremdbeschäftigten eng begrenzen so-wie dabei, dass der Auftraggeber gegenüber den Arbeitnehmern seiner Werk- oder Dienstvertragsunternehmen nicht weisungsbefugt ist.

10. Sanktionen

10.1. Ordnungswidrigkeiten/Bußgeldvorschriften

Verstöße gegen das MiLoG werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. § 21 MiLoG enthält einen umfangreichen Katalog an Bußgeldvorschriften. Zuständig für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sind die Behörden der Zollverwaltung jeweils für ihren Geschäftsbereich.

10.1.1. Verstöße als Arbeitgeber

Mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € belegt werden kann, wer vorsätzlich oder fahrlässig 

  • den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt (§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG). Mit einer Geldbuße bis zu 30.000 € belegt werden kann, wer vorsätzlich oder fahrlässig 
  • Prüfungen der Zollbehörden und der diese unterstützenden Stellen nicht duldet oder bei einer Prüfung nicht mitwirkt, insbesondere für die Prüfung erhebliche Auskünfte nicht erteilt und geforderte Unterlagen (z. B. Arbeitsverträge) nicht vorlegt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG), 
  • im Rahmen einer Prüfung das Betreten eines Grundstücks oder Geschäftsraums nicht duldet (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG), 
  • in Datenverarbeitungsanlagen gespeicherte Daten nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig übermittelt (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 MiLoG), 
  • eine Aufzeichnung der Arbeitszeiten für geringfügig Beschäftigte (§ 8 Abs. 1 SGB IV) oder für alle in den in § 2a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen (Sofortmeldepflicht) beschäftigten Arbeitnehmer (bzw. Leiharbeitnehmer) nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt (§ 21 Abs. 1 Nr. 7 MiLoG),
  • die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns und der Fälligkeit erforderlichen Unterlagen (z. B. Lohnabrechnungen, Arbeitszeitkonten) nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise, auf Verlangen auch am Ort der Beschäftigung bereithält (§ 21 Abs. 1 Nr. 8 MiLoG).
10.1.2. Verstöße als Auftraggeber

Mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € belegt werden kann, wer 

  • Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem er als Unternehmer einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei der Erfüllung dieses Auftrags
  • den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt oder
  • einen Nachunternehmer einsetzt oder zulässt, dass ein Nachunternehmer tätig wird, der den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt.
Hinweis

Der Auftraggeber wäre danach bei einem sehr niedrigen Angebot verpflichtet zu prüfen, ob der niedrige Preis möglicherweise auf einer Zahlung unterhalb des Mindestlohns beruht. Sonst könnte bereits der Fahrlässigkeitsvorwurf erhoben werden.

10.2. Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge

Unternehmen, die wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem MiLoG mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 € belegt worden sind, sollen gemäß § 19 MiLoG von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag eines öffentlichen Auftraggebers für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit ausgeschlossen werden.


Hintergrund:

Nach § 149 GewO werden im Gewerbezentralregister u. a. rechtskräftige Bußgeldentscheidungen eingetragen, wenn die Geldbuße mehr als 200 € beträgt. Die Tilgung der Eintragungen richtet sich nach § 153 GewO. Eintragungen über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen sind zu tilgen nach Ablauf einer Frist von

  1. drei Jahren, wenn die Höhe der Geldbuße nicht mehr als 300 € beträgt,
  2. fünf Jahren in den übrigen Fällen.

Die für die Verfolgung oder Ahndung der Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden der Zollverwaltung dürfen öffentlichen Auftraggebern und solchen Stellen, die von öffentlichen Auftraggebern zugelassene Präqualifikationsverzeichnisse oder Unternehmer- und Lieferantenverzeichnisse führen, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte geben. Diese öffentlichen Auftraggeber fordern im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Gewerbezentralregister Auskünfte über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem MiLoG an.

Alternativ können sie von Unternehmen, die sich um einen Auftrag bewerben, eine Erklärung fordern, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht vorliegen. Im Falle einer Erklärung des Unternehmens können die öffentlichen Auftraggeber jederzeit zusätzlich Auskünfte des Gewerbezentralregisters nach § 150a der Gewerbeordnung anfordern. 

Bei Aufträgen ab einer Höhe von 30.000 € muss der öffentliche Auftraggeber für das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, vor der Zuschlagserteilung eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150a der Gewerbeordnung anfordern. Vor der Entscheidung über den Ausschluss ist der Bewerber zu hören.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Dr. Melanie Eykmann
Bezirksgeschäftsführerin
Themen: Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht
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