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LEP Bayern: Das Einzelhandelsziel

Ziel der Landesentwicklung in Bayern ist die optimale Koordinierung der vielfältigen Nutzungsansprüche an den Raum und Vermeidung möglicher Nutzungskonflikte. Das klassische Instrument stellt das Landesentwicklungsprogramm (LEP) dar, das die Bayerische Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags als Rechtsverordnung beschließt.

Standort und Verkehr Landesplanung & Raumordnung Landesentwicklungsprogramm

1. Hintergrund

Ziel der Landesentwicklung in Bayern ist die optimale Koordinierung der vielfältigen Nutzungsansprüche an den Raum und Vermeidung möglicher Nutzungskonflikte. Das klassische Instrument stellt das Landesentwicklungsprogramm (LEP) dar, das die Bayerische Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags als Rechtsverordnung beschließt.

Die Festlegungen in Kapitel 5.3. Einzelhandelsgroßprojekte (sog. Einzelhandelsziel) sind dann zu beachten, wenn es sich um die Ansiedlung eines sog. Einzelhandelsgroßprojekts handelt, d.h. ab einer Bruttogeschossfläche von 1.200 m² und einer Verkaufsfläche von über 800 m² (§ 11 Abs. 3 BauNVO) oder um eine Agglomeration.

Die Festlegungen werden dabei nach „Zielen“ und „Grundsätzen“ unterschieden:

  • Ziele sind von allen öffentlichen Stellen zu beachten und begründen für die Bauleitplanung eine Anpassungspflicht. 
  • Grundsätze sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen nur „zu berücksichtigen“ und damit weniger verbindlich als die Ziele.

Das Einzelhandelsziel enthält vier Zielformulierungen (Lage im Raum, Lage in der Gemeinde, zulässige Verkaufsfläche, Regelung für zusammengewachsene Gemeinden) und einen Grundsatz (Zielabweichungsverfahren in grenznahen Gebieten).

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2. Bedeutung des Zentrale-Orte-Systems

Die zentralörtliche Funktion einer Gemeinde ist entscheidend für die Frage, in welcher Gemeinde die Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebes im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO (i.d.R. großflächiger Einzelhandel über 800 m²) oder eine Agglomeration zulässig ist. Nach den Festlegungen in Kapitel 5.3.1. Lage im Raum dürfen entsprechende Flächen nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden. Zu den Zentralen Orten zählen Grund-, Mittel- und Oberzentren (dazu zählen auch die Regionalzentren (Ingolstadt, Regensburg, Würzburg) sowie die Metropolen München, Augsburg und die Stadtregion Nürnberg-Fürth-Erlangen).

In nicht-zentralen Orten ist dagegen grundsätzlich keine Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes möglich. Abweichend sind Ausnahmen zulässig: 

  1. Nahversorgungsbetriebe sind bis zu einer Verkaufsfläche bis 1.200 m² auch in nicht-zentralen Orten möglich (s. Ziff. 5). 
  2. Einzelhandelsgroßprojekte, die überwiegend dem Verkauf von Waren des sonstigen Bedarfs dienen, sind nur in Mittel- und Oberzentren sowie in Grundzentren mit bestehender Versorgungsstruktur in dieser Bedarfsgruppe zulässig. 

Aktuell sind Einzelhandelsgroßprojekte in fast der Hälfte der insgesamt 2.056 Gemeinden in Bayern zulässig.

3. Agglomerationsbegriff

Im Landesentwicklungsprogramm sind neben Betrieben i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO aufgrund analoger räumlicher Wirkung auch Agglomerationen als Einzelhandelsgroßprojekte erfasst. Gemäß der Definition des Agglomerationsbegriffs bestehen Agglomerationen aus mindestens drei Einzelhandelsbetrieben, die in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen und erheblich örtlich raumbedeutsam sind. Sie gilt für alle Sortimente und Branchen. Für die Nahversorgung bedeutet dies, dass in allen Gemeinden ein Vorhaben mit zwei Nahversorgungsbetrieben mit bis zu 1.200 m² an einem Standort zulässig ist, beispielsweise ein Supermarkt und ein Getränkemarkt mit je 1.200 m² Verkaufsfläche.

4. Landesplanerisches Prüfschema

Die Vorgaben des Einzelhandelsziels im LEP sind in der Regel dann zu beachten, wenn es sich um ein sog. Einzelhandelsgroßprojekt handelt, d.h. ab einer Bruttogeschossfläche von 1.200 m² und einer Verkaufsfläche von über 800 m² (§ 11 Abs. 3 BauNVO).

Vor der Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojektes sind im Rahmen des landesplanerischen Prüfschemas folgende Fragen zu klären:

  • Ist der Zentrale Ort für das Einzelhandelsgroßprojekt geeignet?
  • Liegt der Standort des Projekts in einer städtebaulich integrierten Lage oder ausnahmsweise in einer Randlage?
  • Werden die sog. Abschöpfungsquoten für das jeweilige Projekt differenziert je nach Sortiment und Betriebstyp eingehalten?
  • Besteht die Möglichkeit des Rückgriffs auf einen Teil der Kaufkraft der Nachbargemeinde? 
  • Kann die Ansiedlung im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens erfolgen?

Eine wesentliche Rolle für die Prüfung der Ansiedlung eines Einzelhandelsprojektes spielen die geplanten Sortimente. Diese werden nach sog. Bedarfsgruppen eingeteilt: Nahversorgungsbedarf, Innenstadtbedarf und Waren des sonstigen Bedarfs. Diese Zuordnung der Sortimente des Einzelhandelsgroßprojektes zu den jeweiligen Bedarfsgruppen ist wesentlich für die Zulässigkeit der Verkaufsgröße und die Ausnahmeregelung (z.B. Rückgriffsregelung gilt nicht für Nahversorgungsbetriebe).

Es werden drei Bedarfsgruppen unterschieden (ausführlich s. Anlage, Seite 6):

  • Nahversorgungsbedarf
    Waren des täglichen Bedarfs (Nahrungs- und Genussmittel, Getränke)
  • Innenstadtbedarf
    Typische Sortimente der Innenstadt (z.B. Drogeriewaren, Bekleidung, Schuhe, Uhren und Schmuck) 
  • Waren des sonstigen Bedarfs
    Nicht-innenstadtrelevante Sortimente (z.B. Bau- und Gartenmarkt, inkl. Fahrräder, Leuchten sowie Zooartikel)

5. Festlegungen im Einzelhandelsziel

a) Lage im Raum
Nach dem geltenden LEP dürfen Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden. Allerdings gibt es für Nahversorgungsbetriebe und auch für Betriebe mit Waren des sonstigen Bedarfs (früher: nicht-innenstadtrelevante Sortimente) Ausnahmen:

  • Ausnahme für Nahversorgungsbedarf
    In allen Gemeinden, d.h. auch in nicht-zentralen Orten sind Nahversorgungsbetriebe (Vollsortimenter, Discounter, Getränke) ohne landesplanerische Prüfung bis 1.200 m² Verkaufsfläche zulässig. Je nach Größe des Bezugsraumes (hier: Nahversorgungsbereich) sind in Grund-, Mittel- und Oberzentren auch entsprechend größere Verkaufsflächen zulässig. 
  • Ausnahme für Waren des sonstigen Bedarfs
    Einschränkungen sieht das LEP weiterhin für Einzelhandelsgroßprojekte mit überwiegend Waren des sonstigen Bedarfs vor. Diese dürfen nur in Mittel- und Oberzentren angesiedelt werden oder in Grundzentren, sofern diese schon über bestehende Versorgungsstrukturen mit Einzelhandelsgroßbetrieben mit überwiegend Waren des sonstigen Bedarfs (z.B. Bauund Gartenmarkt) verfügen.

b) Lage in der Gemeinde
Nach der Muss-Formulierung im LEP hat die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten an städtebaulich integrierten Standorten zu erfolgen. Dieses Kriterium erfüllen laut Begründung im LEP solche Standorte, die innerhalb eines baulich verdichteten Siedlungszusammenhangs mit wesentlichen Wohnanteilen oder direkt angrenzend liegen, die über einen anteiligen fußläufigen Einzugsbereich und eine ortsübliche Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verfügen.

Im Gegensatz dazu sind sog. „städtebauliche Randlagen“ Standorte innerhalb eines baulich verdichteten Siedlungszusammenhangs, die über keine wesentlichen Wohnanteile verfügen. Die Notwendigkeit der fußläufigen Erreichbarkeit muss hierbei nicht erfüllt werden, jedoch ist eine ortsübliche Anbindung an den ÖPNV erforderlich. Der Verordnungsgeber hat auch hier Ausnahmen vorgesehen:

  • Ausnahme für Nahversorgungs- und Innenstadtbedarf
    Einzelhandelsgroßbetriebe mit Nahversorgungs- und Innenstadtbedarf sind unter bestimmten Voraussetzungen auch in städtebaulichen Randlagen zulässig.

Die Gemeinde, in der das Projekt angesiedelt werden soll, muss nachweisen, dass aufgrund der topographischen Verhältnisse kein geeigneter städtebaulich integrierter Standort zur Verfügung steht. Das LEP und auch die Begründung lassen jedoch offen, was genau unter „topographischen Verhältnissen“ zu verstehen ist. Dieser Ausnahmeregelung sollen Beispiele mit Gemeinden, für die aufgrund der beengten Talsituation eine Weiterentwicklung nur oberhalb der Hangkante und damit in nichtintegrierter Lage möglich ist, zugrunde liegen.

  • Ausnahme für Waren des sonstigen Bedarfs
    Diese können ausnahmsweise auch in städtebaulichen Randlagen angesiedelt werden. Die bisherige Regelung gilt hier unverändert, da diese Betriebe nur ein eingeschränktes Sortiment an Innenstadtbedarf anbieten.

Zusammenfassung: Lage in der Gemeinde

Integrierte Lage

Städtebauliche Randlage

Grüne Wiese

Siedlungszusammenhang mit Wohnanteilen

Siedlungszusammenhang ohne Wohnanteile

Kein Siedlungszusammenhang

Einzelhandelsgroßprojekte zulässig

Einzelhandelsgroßprojekte grundsätzlich zulässig 

1. Ausnahme: Nahversorgungsbedarf und Innenstadtbedarf zulässig, bei Nachweis fehlender integrierter Fläche (topografische Verhältnisse) 

2. Ausnahme:
Waren des sonstigen Bedarfs/nicht innenstadtrelevante Sortimente kein Nachweis fehlender integrierter Flächen

Einzelhandelsgroßprojekte unzulässig

c) Zulässige Verkaufsflächen

Es gilt bayernweit eine einheitliche Methodik zur Berechnung der zulässigen Verkaufsfläche. Diese orientiert sich an folgenden Parametern:

  • Bedarfsgruppe der Sortimente und dem landesplanerisch zugewiesenen Bezugsraum (s. Überblick Bedarfsgruppen und Bezugsräume, S. 5).
  • Abschöpfungsquote, deren Höhe bis auf eine Ausnahme beim Innenstadtbedarf unverändert beibehalten wird (s. Überblick Bedarfsgruppen und Bezugsräume, S. 5). Für die Sortimente des Innenstadtbedarfs: Umfasst der einzelhandelsspezifische Verflechtungsraum mehr als 100.000 Einwohner, dann sind nur für die ersten 100.000 Einwohner 30 v.H. als Abschöpfungsquote anzusetzen, für die 100.000 Einwohner übersteigende Bevölkerungszahl sind zusätzlich 15 v.H. anzurechnen.
  • Flächenleistung je nach Sortiment und Betriebstyp, Verbrauchsausgabe für einzelne Sortimente (Quelle: Struktur- und Marktdaten des Einzelhandels, Hrsg. Bayerisches Wirtschaftsministerium)

Zusammenfassung: Bedarfsgruppen, Bezugsräume, Abschöpfungsquoten

Nahversorgungsbedarf

Innenstadtbedarf

Waren des sonstigen Bedarfs

Nahbereich

Einzelhandelsspezifischer Verflechtungsbereich

Projekteinzugsbereich

(Festlegung durch Regionale Planungsverbände)

(Festlegung durch das Wirtschaftsministerium)

(Angabe des Projektentwicklers)

Abschöpfungsquote 25 v. H.

Abschöpfungsquote 30 v. H. ab 100.000 Einwohner 15 v. H.

Abschöpfungsquote 25 v. H.

d) Regelung für zusammengewachsene Gemeinden

Für Gemeinden, zwischen denen enge räumliche Verflechtungen bestehen, eröffnet das LEP - wie bisher - mit der sog. Rückgriffsregelung besondere Möglichkeiten zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten mit Innenstadtbedarf. Das LEP ermöglicht allen Gemeinden, d.h. auch nicht-zentralen Orten, die mit mindestens einem Zentralen Ort einen baulich verdichteten Siedlungszusammenhang bilden, auf einen Teil der Kaufkraft des Zentralen Ortes zurückgreifen. Dies setzt voraus, dass der gemeinsame baulich verdichtete Siedlungszusammenhang von einer engen städtebaulichen, räumlich-funktionalen und verkehrsmäßigen Verflechtung gekennzeichnet ist. Erst dann kann die Gemeinde auf 7,5 v.H. der Kaufkraft zurückgreifen, die in einer zentralörtlich nicht niedriger eingestuften Gemeinde maßgeblich ist.

Die Möglichkeit des Rückgriffs ist für Nahversorgungsbedarf und für Waren des sonstigen Bedarfs (z.B. Kernsortiment Bau- und Gartenmarkt) ausgeschlossen.

e) Zielabweichungsverfahren in grenznahen Gebieten

Ein Zielabweichungsverfahren kann nach Art. 4 Landesplanungsgesetz von der Obersten Landesplanungsbehörde auf Antrag der Gemeinde, in der das Einzelhandelsgroßprojekt angesiedelt werden soll, durchgeführt werden. Die Behörde kann in einem besonderen Verfahren die Abweichung von einem Ziel der Raumordnung und Landesplanung zulassen, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.

Das derzeit geltende LEP sieht wie bisher eine flexible Handhabung von Zielabweichungsverfahren bei der Zulassung von Einzelhandelsgroßprojekten vor. In jedem Einzelfall sind bei der Entscheidung über die Zulassung der Abweichung zum einen die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und die Versorgung mit Einzelhandelseinrichtungen in den grenznahen bayerischen Gebieten einzubeziehen und zum anderen die Zulassungspraxis in den Nachbarstaaten Österreich und Tschechien bei bestehenden oder zu erwartenden Einzelhandelsgroßprojekten zu berücksichtigen.

Die nichtamtliche Lesefassung der Teilfortschreibung (Stand 1. Juni 2023) können Sie hier herunterladen. Das Kapitel „Einzelhandelsgroßprojekte“ finden Sie auf den Seiten 92 ff.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Simone Streller
Geschäftsführerin
Themen: Standort und Verkehr Landesplanung & Raumordnung Landesentwicklungsprogramm
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