Praxiswissen
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Krankheitsbedingte Kündigung und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Eine krankheitsbedingte Kündigung stellt den Hauptanwendungsfall einer personenbedingten Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG dar. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (siehe das HBE-Praxiswissen „Kündigung“), so muss eine krankheitsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. In diesem Zusammenhang ist die krankheitsbedingte Kündigung jedoch von der verhaltensbedingten Kündigung abzugrenzen.

Arbeitsrecht

1. Allgemeines

Eine krankheitsbedingte Kündigung stellt den Hauptanwendungsfall einer personenbedingten Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG dar. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (siehe das HBE-Praxiswissen „Kündigung“), so muss eine krankheitsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. In diesem Zusammenhang ist die krankheitsbedingte Kündigung jedoch von der verhaltensbedingten Kündigung abzugrenzen. Anders als bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt bei einer krankheitsbedingten Kündigung kein sog. steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers((GENDERNOTICE)) vor. Die krankheitsbedingte Kündigung setzt insofern voraus, dass der Arbeitnehmer seine Fähigkeiten oder seine Eignung aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder zum Teil zu erbringen.

Vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ist die Notwendigkeit der Durchführung eines sogenannten Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) zu prüfen.

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2. Soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dreistufig zu prüfen. 

Zunächst ist eine negative Prognose (a) hinsichtlich des zukünftigen Gesundheitszustands erforderlich. 

Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen dann zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (b) führen. 

Im Rahmen einer Interessenabwägung (c) ist abschließend zu prüfen, ob die erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen, d. h. keine zumutbaren und geeigneten Maßnahmen mehr möglich sind, die im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung die Kündigung vermeiden könnten. 

Die Rechtsprechung hat drei Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung entwickelt, bei denen jeweils der dreistufige Aufbau bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung zugrunde zu legen ist.

2.1 Häufige Kurzerkrankungen

Auch eine Kündigung wegen einer langandauernden Erkrankung setzt eine negative Prognose, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und eine allgemeine Interessenabwägung voraus.

  • Negative Prognose

    Ab welchem Zeitraum eine bereits bestehende Erkrankung als „langandauernd“ zu qualifizieren ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Regelmäßig sind hier 24 Monate anzusetzen. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht im Einzelfall auch schon eine Erkrankung von etwa 8 Monaten als langandauernd angesehen.

    Es muss aber stets auch hier eine sog. negative Prognose vorliegen. Das Bundesarbeitsgericht und die Instanzgerichte stellen hierbei entscheidend darauf ab, wie die Prognose hinsichtlich der nächsten 24 Monate nach Zugang der Kündigung aussieht. Steht insoweit fest, dass der Arbeitnehmer in den kommenden 24 Monaten ab Zugang der Kündigung seine Arbeit nicht wieder aufnehmen können wird, ist eine negative Prognose gegeben.

    Problematischer erscheinen in der Praxis allerdings diejenigen Fälle, bei denen völlig ungewiss ist, ob der Arbeitnehmer in den kommenden 24 Monaten ab Zugang der Kündigung seine Arbeit wieder wird aufnehmen können. Auch hier mag aus Sicht der Rechtsprechung von Bedeutung sein, wie lange der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung bereits arbeitsunfähig erkrankt war. Das Bundesarbeitsgericht hat jedenfalls einen 18 Monate bereits andauernden Arbeitsunfähigkeitszeitraum und völliger Ungewissheit hinsichtlich der gesundheitlichen Entwicklung in den kommenden 24 Monaten als ausreichend dafür angesehen, von einer negativen Gesundheitsprognose bei einer langandauernden Erkrankung auszugehen.

  • Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen
    Auch bei der langandauernden Erkrankung muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen. Hier sieht die Rechtsprechung aber eine erhebliche Erleichterung im Vergleich zur Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen für den Arbeitgeber vor. So geht das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang immer dann schon von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen aus (Indizwirkung), wenn eine negative Prognose gegeben ist.

  • Allgemeine Interessenabwägung
    Auch bei einer krankheitsbedingen Kündigung wegen einer langandauernden Erkrankung ist auf der dritten Stufe eine Interessenabwägung vorzunehmen. Auch hier muss anhand der bereits oben genannten Kriterien (siehe 2.1 c)) geprüft werden, ob die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nunmehr billigerweise nicht mehr für den Arbeitgeber hinzunehmen ist.

2.2 Krankheitsbedingte Leistungsminderung/dauernde Leistungsunfähigkeit

Auch eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung muss dreistufig geprüft werden, d. h. es müssen neben einer negativen Gesundheitsprognose eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen, die vom Arbeitgeber insgesamt im Rahmen einer Interessenabwägung billigerweise nicht mehr hinzunehmen ist.

  • Negative Prognose

    Eine negative Prognose im Falle einer krankheitsbedingten Leistungsminderung hat die Rechtsprechung anerkannt, wenn eine Durchschnittsleistung des Arbeitnehmers von 66 % seiner Normalleistung nur noch erbracht werden kann und eine Beseitigung dieses Leistungsungleichgewichts nach seinem eigenen Vortrag auch in Zukunft nicht zu erwarten ist.

    Insoweit dürften die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zur langandauernden Erkrankung bzw. zu häufigen Kurzerkrankungen entwickelt hat, zwar nicht uneingeschränkt, aber dennoch im Ergebnis angewandt werden. Jedenfalls dürfte eine negative Prognose immer dann vorliegen, wenn feststeht, dass die Leistungsminderung des Arbeitnehmers auch für die nächsten 24 Monate sicher vorliegen wird. Bei völliger Ungewissheit der Leistungsminderung in den nächsten 24 Monaten dürfte auch die Zeit mit zu berücksichtigen sein, die in der Vergangenheit bereits als leistungsmindernd zu verzeichnen war.

    Vor diesem Hintergrund ist eine Entscheidung, wann eine erhebliche Leistungsminderung vorliegt, nicht immer einfach. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der altersbedingte Leistungsabfall eines Arbeitnehmers grundsätzlich hinzunehmen ist.

  • Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

    Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kann sich für den Fall einer krankheitsbedingten Leistungsminderung nicht aus der Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten ergeben, weil der Arbeitnehmer schließlich am Arbeitsplatz noch anwesend ist und arbeitet. Da die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen aber erheblich sein muss, genügt auf der anderen Seite auch nicht eine nur geringfügige Minderleistung. Es kommt also darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, das ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar macht. Eine Minderleistung von jedenfalls 35 % hat das Bundesarbeitsgericht im Einzelfall ausreichen lassen, um eine Kündigung eines (sogar schwerbehinderten) Arbeitnehmers zu rechtfertigen.

    Bei dauernder Leistungsunfähigkeit liegt die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und der Einsatz des Arbeitnehmers sich nicht mehr planen lässt.

  • Allgemeine Interessenabwägung
    Auch bei der krankheitsbedingten Leistungsminderung bzw. dauernden Leistungsunfähigkeit muss im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung geprüft werden, ob erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen durch den Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen sind oder nicht. Hier mag ebenfalls auf die o. g. Kriterien (siehe 2.1 c)), die insoweit jedoch nicht abschließend sind, verwiesen werden.

3. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Weitere Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung ist im Rahmen der Interessenabwägung der Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines BEM. 

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber mit den entsprechenden Interessenvertretungen, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten abklären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann, § 167 Abs. 2 S.2 SGB IX.

3.1 Konkreter Anwendungsbereich des § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX

Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsgedanken des § 167 Abs. 2 SGB IX als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anerkannt. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich diese Vorschrift auch nicht allein auf Schwerbehinderte oder diesen gleichgestellten Mitarbeiter, sondern wird vom Bundesarbeitsgericht auf alle Beschäftigte, unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung, angewandt. 

Vor Anhörung des Betriebsrats und Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ist stets ein BEM durchzuführen bzw. seitens des Arbeitgebers zumindest zu versuchen und im Rahmen des BEM zu prüfen, wie die bestehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt sowie der Erhalt des Arbeitsplatzes, ggf. durch entsprechende Umgestaltung, erhalten werden kann.

3.2 Durchführung und mögliche Ausgestaltung eines BEM

  • Beteiligte
    Unmittelbar am BEM-Verfahren sind beteiligt der Arbeitgeber bzw. ein von diesem bevollmächtigter Vertreter sowie der Beschäftigte.

    Weitere Beteiligte können nur auf Wunsch oder mit Zustimmung des Beschäftigten am BEMVerfahren teilnehmen. Dies können u. a. sein der Betriebsrat bzw. ein Mitglied des Betriebsrats, der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, ein Vertreter der Arbeitsagentur, des Integrationsamts oder der Integrationsfachdienste. Nunmehr (seit 10.06.2021) können Beschäftigte bei der Durchführung des BEM zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen (§167 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Dies gilt damit auch für einen Rechtsanwalt.

    Dem Mitarbeiter selber steht es frei, das BEM-Verfahren zu verweigern bzw. an diesem nicht teilzunehmen. Die Teilnahme am BEM-Verfahren ist stets freiwillig in jeder Phase des Verfahrens.
  • Möglicher Ablauf

    1. Einladung des Arbeitnehmers

    Zunächst ist der Beschäftigte zu einem BEM-Gespräch einzuladen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einiger Instanzgerichte zeigt, dass es in diesem Zusammenhang von überaus großer Bedeutung ist, den betroffenen Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen (§ 167 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Diese Hinweise können bereits in der Einladung zum BEM-Gespräch oder im Rahmen eines ersten Vorgespräches erfolgen.

    Für den Nachweis der ordnungsgemäßen Einladung nebst ordnungsgemäßer Belehrung über die Ziele des BEM und die Verwendung der erhobenen Daten sollte das in der Anlage beigefügte Einladungsschreiben verwendet und eine Zustellung – wie bei der Zustellung einer Kündigung – sichergestellt und dokumentiert werden.

    Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der betroffene Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hat. Eine ordnungsgemäße Belehrung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM. Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er dem BEM zustimmt oder nicht.

    Die nicht ordnungsgemäße Belehrung des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einem BEM-Verfahren kann im Ergebnis zur Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung führen.

    2. Einladung der weiteren BEM-Teilnehmer
    Die o. g. möglichen weiteren Beteiligten an einem BEM-Gespräch sind überdies vom Arbeitgeber einzuladen, allerdings nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Arbeitnehmers.

    3. BEM-Gespräch

    Ein konkretes Verfahren, wie ein solches BEM-Gespräch abzulaufen hat, sieht das Gesetz und auch die damit einhergehende Rechtsprechung nicht vor. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht vorgesehen, wer die Leitung des Gespräches übernimmt. Es ist zu empfehlen, dass dies durch den Arbeitgeber oder dessen Vertreter erfolgt.

    Das BEM soll als sog. „offener Suchprozess“ und nicht als formalisiertes Verfahren ausgestaltet werden. Es sollen keine vernünftigerweise in Betracht kommenden Möglichkeiten ausgeschlossen werden, die helfen können, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Das BEM soll ein faires und sachorientiertes Verfahren sein, dessen Verlauf und dessen Ergebnis sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalls richtet und durch einen unverstellten, verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess gekennzeichnet ist. Dies kann auch dazu führen, dass die Beteiligten zu dem Ergebnis kommen, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden sollte.

    Nachdem allgemein in die Thematik des BEM unter Bezugnahme auf das Einladungsschreiben seitens des Arbeitgebers eingeführt worden ist, gilt es aus Sicht des Arbeitgebers, die Ursachen der Fehlzeiten und/oder Leistungseinschränkungen zu thematisieren. In diesem Zusammenhang sollte dann mit dem Arbeitnehmer erörtert werden, welche Möglichkeiten bestehen, seine Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, um letztlich seinen Arbeitsplatz zu erhalten.

    In diesem Zusammenhang kommen z. B. folgende Ergebnisse eines BEM-Verfahrens in Betracht:

    • Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens, betriebsärztliche Untersuchungen und mit ihnen verbundene Begutachtungen,  

    • nähere arbeitstechnische Untersuchungen des Arbeitsplatzes, z. B. durch die Sicherheitsfachkraft oder einen Arbeitspsychologen sowie Durchführung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen, z. B. Hebe- oder Tragehilfen, 

    • Maßnahmen zur kurativen Behandlungen von Erkrankungen, 

    • Erkennen und Durchführen von bestimmten präventiven, medizinischen Reha-Maßnahmen, Durchführung von arbeitsspezifischen Gesundheits-/Ergonomietrainings (z. B. Rückenschule, richtiges Heben), 

    • technisch-organisatorische Umgestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsablauf 

    • Versetzung auf einen anderen vorhandenen freien leidensgerechten Arbeitsplatz (hierbei ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einen zusätzlichen und bisher nicht vorhandenen sowie nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einzurichten), 

    • Arbeitszeitreduzierung bzw. Arbeitszeitänderung, 

    • Arbeitsversuche oder sog. stufenweise Wiedereingliederung im Sinne des § 74 SGB V

      Am Ende eines oder mehrerer Gespräche sollte dann konkret festgelegt werden, auf welche Maßnahmen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber verständigt haben. Auch wenn man sich nicht auf bestimmte Maßnahmen einigen konnte, sollte das Ergebnis protokolliert und dokumentiert werden.

      Die Umsetzung und die Kontrolle der vereinbarten BEM-Maßnahmen sollten seitens des Arbeitgebers erfolgen und in einem festgelegten Zeitrahmen eine Nachbetrachtung und ein Abschlussgespräch stattfinden. Sämtliche Schritte sollten detailliert protokolliert und dokumentiert werden.

  • Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers

    1. Ablehnung des Arbeitnehmers
    Dem Arbeitnehmer steht es frei, sich gegen ein BEM-Verfahren zu entscheiden. In diesem Fall hat das Bundesarbeitsgericht aber bereits entschieden, dass die Verweigerung des Arbeitnehmers an einem BEM-Gespräch bzw. an einem diesbezüglichen Verfahren teilzunehmen, dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, wenn der Arbeitgeber zuvor in einem ersten Einladungsschreiben ordnungsgemäß i. S. d. § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über Art und Inhalt eines BEM-Verfahrens sowie über die damit einhergehende Datenerhebung von sensiblen Gesundheitsdaten den Arbeitnehmer belehrt hat.

    2. Schweigen des Arbeitnehmers
    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt ein Schweigen des Arbeitnehmers auf ein Einladungsschreiben des Arbeitgebers zur Durchführung eines BEM-Verfahrens grundsätzlich keine Ablehnung dar. Auf eine Ablehnungsfunktion kann sich der Arbeitgeber aber berufen, wenn er dem Arbeitnehmer zuvor eine angemessene Frist zur Erklärung gesetzt hat. Ein Schweigen des Arbeitnehmers hat dann dieselben rechtlichen Auswirkungen wie eine ausdrücklich erklärte Ablehnung.

    3. Zustimmung zum BEM-Verfahren mit Einschränkungen
    Da es dem Arbeitnehmer grundsätzlich freisteht, an einem BEM-Verfahren teilzunehmen, ist es somit auch denkbar, dass der Arbeitnehmer nur mit Einschränkungen zu einem solchen Gespräch bereit ist. In diesem Zusammenhang sollte einzelfallbezogen auf die Bedürfnisse und Wünsche des Arbeitnehmers aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eingegangen werden.

    Stimmt der Beschäftigte einem BEM-Verfahren grundsätzlich zwar zu, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, sollte der Arbeitgeber den Beschäftigten erneut nachweislich unter angemessener Fristsetzung auffordern und erneut darauf hinweisen, dass dies im Ergebnis dazu führen kann, dass der Arbeitsplatz nicht erhalten werden und eine krankheitsbedingte Kündigung die Folge sein kann.

    4. Uneingeschränkte Zustimmung des Arbeitnehmers
    Stimmt der Arbeitnehmer einem BEM-Verfahren uneingeschränkt zu, ist ein regelkonformes BEM durchzuführen und nicht einseitig seitens des Arbeitgebers zuvor abzubrechen. Sämtliche vereinbarte Maßnahmen müssen insoweit vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung abgewartet werden.

  • Rechte des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats

    Das Bundesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bzw. des Gesamtbetriebsrats entschieden, dass bei der Ausgestaltung des BEM für jede einzelne Regelung zu prüfen ist, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Insoweit führt das BAG aus, dass sich ein solches Mitbestimmungsrecht ergeben kann

      • bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, 

      •  in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung der Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und 

      •  hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG

  • Datenschutz

    Da es sich bei den im Rahmen eines BEM-Verfahrens erhobenen personenbezogenen Daten um sensible Gesundheitsdaten im Sinne der Datenschutzgesetze handelt, muss vom Arbeitnehmer eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung eingeholt werden, solche Daten erheben, verarbeiten und nutzen zu können (siehe Musterschreiben).

    Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber auch einen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers gesondert und geschützt aufbewahrt. Aus diesem Umstand heraus ist dringend zu empfehlen, neben der Personalakte eine neue, insoweit auch geschützte, Akte zum BEM-Verfahren einzurichten und dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Ebenso sollte dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden, welche (wenigen) Personen ausschließlich Zugang zur BEM-Akte haben.

4. Anhörung des Betriebsrats

In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser vor jeder Kündigung anzuhören. Ohne vorherige Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Dies gilt auch für den Fall, dass die Zustimmung zur Kündigung nachträglich erteilt wird. Es muss nach Anhörung erneut gekündigt werden. 

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nicht nur die Art der Kündigung (personenbedingte Kündigung wegen Krankheit bzw. krankheitsbedingte Kündigung), sondern ebenfalls die wesentlichen persönlichen Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers, ggf. bestehenden Sonderkündigungsschutz, den Kündigungstermin, die Kündigungsfrist und die die Kündigung rechtfertigenden Umstände, umfassend und detailliert mitzuteilen. 

Dazu gehört auch, dass er den Betriebsrat über die Tatsachen informiert, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er nach, wenn er dem Betriebsrat einen aus seiner Sicht richtigen und vollständigen Sachverhalt darstellt. 

Im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung gehören dazu die der negativen Gesundheitsprognose sowie den erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zugrundeliegenden Tatsachen. Hinsichtlich der Gesundheitsprognose sind die in der Vergangenheit aufgetretenen Fehlzeiten, hinsichtlich der betrieblichen Beeinträchtigungen die wirtschaftlichen Belastungen oder die betrieblichen Ablaufstörungen anzugeben. Schließlich sind dem Betriebsrat auch die Tatsachen mitzuteilen, die im Rahmen der Interessenabwägung die weitere Hinnahme dieser erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen unzumutbar machen. 

Dabei bestehen im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen krankheitsbedingter Kündigungen auch unterschiedliche Anforderungen an Art und Umfang der dem Betriebsrat mitzuteilenden Tatsachen.

4.1 Häufige Kurzerkrankungen

Im Falle einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen sind dem Betriebsrat regelmäßig die einzelnen Ausfallzeiten der letzten Jahre mitzuteilen, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützt, auch in Zukunft sei mit Krankheitszeiten im selben Umfang zu rechnen. Gleiches gilt für die aufgewandten Entgeltfortzahlungskosten, wenn der Arbeitgeber hieraus die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch die Ausfallzeiten herleitet. Ob die vom Arbeitgeber angestellte Prognose über die zukünftige Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers der Wahrscheinlichkeit entspricht oder ob es sich eher um eine schicksalhafte Verkettung mehrerer zeitgleich aufgetretener Krankheiten handelt, die keine derart schlechte Prognose zulassen, ergibt sich in einem solchen Fall in der Regel erst aus der Betrachtung der konkret aufgetretenen Krankheitszeiten und der durch diese Krankheiten verursachten konkreten Kosten. Entsprechendes gilt, soweit die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen aus anderen Gründen wie z. B. Betriebsablaufstörungen folgen soll, auch hier bedarf es gegenüber dem Betriebsrat des Vortrages konkreter Tatsachen.

4.2 Lang anhaltende Erkrankung

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung muss dem Betriebsrat mitgeteilt werden, ob der Arbeitnehmer noch arbeitsunfähig ist und aus welchen Umständen geschlossen wird, dass der Zeitpunkt der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar ist, insbesondere ob Fortsetzungserkrankungen vorliegen oder mit ihnen zu rechnen ist. Alternativ kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch eine ihm bekannte Krankheitsursache als die der Negativprognose zugrundeliegende Tatsache angeben. Daneben hat er dem Betriebsrat die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen mitzuteilen, die zum Ausspruch der Kündigung führen.

4.3 Dauernde krankheitsbedingte Leistungsunfähigkeit

Will der Arbeitgeber seine krankheitsbedingte Kündigung auf eine dauernde Unmöglichkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, stützen, muss er dem Betriebsrat nur die Tatsachen mitteilen, aus denen sich dieser Umstand ergibt. Dabei muss er dem Betriebsrat nicht die Krankheitsursache, sondern nur das ausschlaggebende Leiden mitteilen. Eine besondere Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedarf es nicht, weil sich diese bereits aus der dauernden Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ergeben. Auch wenn bei dieser Form der krankheitsbedingten Kündigung unter Umständen ohne Rückgriff auf vergangene Fehlzeiten die dauerhafte Leistungsunmöglichkeit begründet werden kann, kann sie sich indiziell bereits aus der besonders langen Dauer der Arbeitsunfähigkeit ergeben. Entsprechendes gilt, wenn zur Begründung der Kündigung eine der Unmöglichkeit gleich zu achtende vollständige Ungewissheit über den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit herangezogen wird.

4.4 Krankheitsbedingte Leistungsminderung

Will der Arbeitgeber schließlich seine krankheitsbedingte Kündigung auf eine durch Krankheit verursachte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers stützen, erstreckt sich die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers zunächst wiederum auf die Tatsachen, die die ungünstige Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes begründen, und auf die Darlegung der Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Hinsichtlich der erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen bedarf es auch hier näherer Darlegungen der wirtschaftlichen Belastungen oder Betriebsablaufstörungen, die durch diese verminderte Leistungsfähigkeit bedingt sind. 

Zur Entgegennahme der Erklärungen des Arbeitgebers ist der Betriebsratsvorsitzende und im Falle seiner Verhinderung der Stellvertreter befugt. Anzuhören ist aber der Betriebsrat. Deshalb reicht die abgegebene Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden, er stimme der beabsichtigten Kündigung zu, dann nicht aus, wenn der Betriebsrat als Gremium erkennbar für den Arbeitgeber mit der Sache nicht befasst war. 

Bei einer ordentlichen Kündigung muss dem Betriebsrat eine Woche Zeit gegeben werden, um zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen, es sei denn, der Betriebsrat nimmt vor Ablauf dieser Fristen abschließend Stellung. 

Viele Kündigungen scheitern oft an der fehlenden Anhörung oder nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, mit dem Betriebsrat mündlich vor Ausspruch der Kündigung ausführlich über die jeweilige Kündigung zu sprechen und im schriftlichen Anhörungsverfahren auch auf die mündlichen Ausführungen ausdrücklich Bezug zu nehmen.

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Dr. Melanie Eykmann
Bezirksgeschäftsführerin
Themen: Arbeitsrecht
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