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Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verfolgt das Ziel, die Barrierefreiheit bestimmter Produkte und Dienstleistungen im digitalen Bereich sicherzustellen. Verschiedenste Technologien und digitale Angebote sind mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags. Doch viele Menschen stoßen dabei noch immer auf Barrieren. Öffentliche Stellen sind bereits seit 2019 verpflichtet, elektronische Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird dies nun auch auf private Wirtschaftsakteure, d.h. Unternehmen, ausgeweitet.

E-Commerce Digitale Barrierefreiheit

1. Digitale Barrierefreiheit

Verschiedenste Technologien und digitale Angebote sind mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags. Doch viele Menschen stoßen dabei noch immer auf Barrieren. Inklusive des privaten Umkreises von Menschen mit einer physischen oder geistigen Einschränkung, sehen sich etwa 63 Prozent der Weltbevölkerung im Alltag Barrieren ausgesetzt. Schätzungen der WHO zufolge sind allein in Deutschland 1,2 Millionen Menschen auf barrierefreie Angebote angewiesen. Neben visuellen und auditiven Behinderungen können auch motorische oder kognitive Einschränkungen zu Beeinträchtigungen führen. Dabei sind nur drei Prozent der Behinderungen angeboren. Die meisten Behinderungen werden durch Krankheiten verursacht oder treten situativ auf, sodass sich niemand diesem Thema völlig verschließen kann. Auch durch den demographischen Wandel ist zu erwarten, dass der Bedarf an barrierefreien Dienstleistungen in Zukunft steigen wird. 

Öffentliche Stellen sind bereits seit 2019 verpflichtet, elektronische Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird dies nun auch auf private Wirtschaftsakteure((GENDERNOTICE)), d.h. Unternehmen, ausgeweitet. 

Positiver Nebeneffekt: Digitale Barrierefreiheit kann sich positiv auf das Ranking Ihrer Website bei Suchmaschinenergebnissen auswirken. Außerdem sind barrierefreie Internetauftritte in der Regel mit kürzeren Ladezeiten verbunden. Durch barrierefreie Angebote erweitern Sie nicht nur Ihre Zielgruppe, sondern stärken auch Ihre Wettbewerbsfähigkeit.

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2. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Den Einzelhandel betreffen die Anforderungen aus dem Gesetz, z.B. wenn ein Online-Shop betrieben wird (s. elektronische Dienstleistungen) oder betroffene Produkte verkauft werden (s. Produkte). 

2.1 Elektronische Dienstleistungen

Der Anwendungsbereich des BFSG bezieht sich zum einen auf Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, die für Verbraucher erbracht werden. Dies betrifft alle elektronischen Dienstleistungen, die auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags hinwirken, bspw. eine digitale Terminbuchung((Das BFSG kann auch nur Teile des Webauftritts betreffen, sodass nur die Bestandteile von den Anforderungen betroffen sind, die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Verbrauchervertrags stehen.)). Demnach ist auch der Online-Verkauf von Produkten und Dienstleistungen von dem Gesetz betroffen. 

Ein Online-Shop ist somit bis zum 28. Juni 2025 barrierefrei aufzustellen. Dies betrifft alle Online-Shops im B2C-Bereich. Reine B2B-Online-Shops sind nur dann ausgenommen, wenn sichergestellt ist, dass das Angebot nicht von Verbrauchern genutzt werden kann.

2.1.1 Wer ist verpflichtet?

Alle Unternehmen mit 

  • 10 oder mehr Mitarbeitern (pro Kopf) ODER 
  • über 2 Millionen Euro Jahresumsatz / Jahresbilanzsumme. 

Somit sind nur Kleinstunternehmen ausgenommen.

2.1.2 Welche Vorgaben gibt es?

Bei der Gestaltung müssen alle Barrierefreiheitsanforderungen des weltweit anerkannten Standards der WCAG 2.2 und der harmonisierten, europäischen Norm DIN EN 301 549 umgesetzt werden. Der Grad der Barrierefreiheit muss die Stufe AA erfüllen.

Generell gilt demnach, dass eine barrierefreie Website dem Zwei-Sinne-Prinzip folgen muss. Das heißt, alle Informationen müssen über zwei sensorische Kanäle zur Verfügung gestellt werden.

Für ein barrierefreies Angebot sind die vier Prinzipien der Accessibility zu erfüllen: 

  • Wahrnehmbarkeit (z.B. Untertitel, Alt-Text, Kontrast, Schriftgröße) 
  • Bedienbarkeit (z.B. Steuerung über Tastatur/Sprachbefehl) 
  • Verständlichkeit (z.B. logischer Aufbau, klare Fehlermeldung, Formulartexte) 
  • Robustheit (z.B. gültige HTML-Codes)

Zusätzlich zu den technischen Anforderungen muss der Online-Shop auch eine Barrierefreiheitserklärung in den AGB oder auf einer separaten Seite auf der Website hinterlegen., Diese gibt an, wie die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt werden (Muster).

Werden Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf stehenden Produkte (oder Dienstleistungen) vom Hersteller bereitgestellt, müssen diese außerdem im Online-Angebot ausgezeichnet werden.

Hinweis

Wenn Sie einen Kundenservice haben, muss dieser außerdem darüber informiert sein, ob der Shop barrierefrei ist und wie dieser mit assistiven Technologien zu bedienen ist.

2.1.3.Was bedeutet das konkret?

Digitale Barrierefreiheit basiert somit auf einem entsprechenden technischen Aufbau (Webentwicklung und -design), ebenso wie auf barrierefreiem Inhalt.

Entwicklung

In der Entwicklung sind folgende Punkte ausschlaggebend ((Quelle: Bundesfachstelle Barrierefreiheit Webinar-Reihe "BFSG 2025" E-Commerce, Baustein 4))

  • Tastaturbedienbarkeit
    Die Website bzw. alle Elemente müssen durchgehend mit der Tastatur bedienbar sein. Standard-HTML-Elemente sind regulär tastenbedienbar. Bei Costume Controls und Widgets müssen die Entwickler für Tasturbedienbarkeit sorgen((Orientierung an diesem Dokument möglich: https://www.w3.org/WAI/ARIA/apg/practices/keyboard-interface/)) .
  • Fokusreihenfolge
    Die Reihenfolge, in der die Elemente mit der Tastatur fokussiert werden, muss schlüssig sein. Die Fokusreihenfolge kann selbst mittels Navigation durch Tab-Taste getestet werden.
  • Fokusnavigator 
    Der Fokusnavigator zeigt, wo man sich bei Tastaturbedienbarkeit auf der Website befindet. Es gibt i.d.R. einen Browserfokusindikator, der nicht unterdrückt werden darf. Die Codierung entspricht :focus {outline:0} ODER :focus{outline:none} 
  • Semantik
    Semantische Informationen drücken aus, um was für ein Element es sich handelt(( Nähere Informationen zur Semantik unter Semantik, WAI-ARIA und assistive Technologien | tollwerk)) . Semantik gibt dem Nutzer Auskunft darüber, wie mit dem Element interagiert werden kann. Wenn möglich, sollte immer HTML-Semantik mit folgenden Informationen genutzt werden:
    – role (Art von Element) z.B. „Button“, „Checkbox“
    – name (Name/Beschriftung): Beschriftung des Formularelements
    – state (Zustand) z.B. „ausgeklappt“, „aktiviert“
    – description (Beschreibung, wenn sinnvoll)
Screenreader-Ausgabe
Screenreader-Ausgabe

Alternativ: Aria-Attribute (WAI-ARIA) für komplexere JavaScript Widgets/dynamische Inhalte Aria Attribute umfassen die Informationen role, state, properties

Beispiel ((Quelle: Bundesfachstelle Barrierefreiheit- Webinar „BFSG 2025: E-Commerce“(Minute 40:08)))

Hinweis

Für Tastaturbedienbarkeit muss bei Aria-Attributen zusätzlich gesorgt werden

Kontrast

Kontraste müssen folgenden Werte der sog. Contrast Ratio entsprechen:((Quelle: Bundesfachstelle Barrierefreiheit Webinar-Reihe "BFSG 2025" E-Commerce, Baustein 4)))

  • Regulärer Text: Contrast Ratio mindestens 4,5:1 Immer, auch auf Bildern/Hintergründen 
  • Großer Text: Contrast Ratio mindestens 3,0:1 Großer Text entspricht mind. 24 px ODER bei fetter Schrift mind. 19px 
  • Grafiken, UI-Komponenten: Contrast Ratio mindestens 3,0:1 z.B. bei Formularfeldern, Checkboxen etc. 
  • Gestalteter Fokusindikator: Contrast Ratio mindestens 3,0:1 z.B. bei Navigierung mittels Tab: Fokus sollte gehighlightet sein bspw. mittels Rahmen

Inhalt

Bei der Erstellung barrierefreier Inhalte, sollte folgendes beachtet werden: ((Quelle: Bundesfachstelle Barrierefreiheit Webinar-Reihe "BFSG 2025" E-Commerce, Baustein 4)))

  • Sprache
    Sprachliche Komplexität möglichst vermeiden, einfache Sprache 
  • Textstruktur
    Überschriftenlisten und genügend Absätze für „Denkpausen“
  • Grafiken und Multimedia
    Alternativtexte für Bilder und Untertitel, Audiodeskreption oder Transkription bei Multimedia

Allgemeine Empfehlungen sind: Hilfestellungen bei Eingabefeldern/Ausfüllhilfen((z.B. Formularfeld zusätzlich mit erklärendem Satz wie „Bitte geben Sie Ihre E-Mailadresse an)) , valides HTML, Einsatz von CSS, Responsives Design, Browserunabhängigkeit und Captchas, die auch eine Alternative zu visuellen Rätseln bieten sowie die Vermeidung von Pop-Ups.

2.2 Produkte

Nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz müssen auch bestimmte Produkte barrierefrei sein. Dies betrifft folgende Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht werden:

  • Computer, Notebooks, Tablets 
  • Smartphones, Mobiltelefone 
  • Fernsehgeräte 
  • E-Book-Lesegeräte 
  • Router

Der Hersteller hat sicherzustellen, dass die betroffenen Produkte den Barrierefreiheitsanforderungen genügen, ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wurde und eine CE-Kennzeichnung angebracht ist.

2.2.1 Welche Vorgaben gibt es für den Handel?

Händler haben die entsprechenden Produkte auf das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung zu prüfen. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Pflichten aus dem Produktsicherheitsrecht (vgl. Praxiswissen zur Produktsicherheitsverordnung). Falls der Händler außerdem Grund zur Annahme oder Kenntnis darüber hat, dass ein betroffenes Produkt nicht mit dem BFSG konform ist, müssen der Hersteller bzw. Einführer und die Marktüberwachungsbehörde darüber informiert werden. Außerdem darf das Produkt so lange nicht verkauft werden, bis die Konformität hergestellt wurde.

Beim Online-Verkauf gilt: Sollten Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf stehenden Produkte bereitgestellt werden, müssen diese Informationen im Online-Angebot angegeben werden.

2.2.2 Wer ist verpflichtet?

Alle Unternehmen müssen, den entsprechenden Pflichten nachkommen. Es gibt keine Ausnahme für Kleinstunternehmen.

3. Nützliche Links und Tools

Nähere Informationen zur digitalen Barrierefreiheit und deren Umsetzung

Nützliche Tools für Testing und Entwicklung((Hierbei handelt es sich um eine bespielhafte Aufzählung, nicht um konkrete Produktempfehlungen.))

In seltenen Fällen kann ein Ausnahmebestand vorliegen, falls die Erfüllung der Anforderungen des BFSG zu unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastungen führt.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Anastasia Just
Referentin
Themen: E-Commerce Digitale Barrierefreiheit
Daten­schutz­ein­stel­lun­gen

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