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Geoblocking-Verordnung

Die EU-Verordnung 2018/302 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung – kurz: Geoblocking-Verordnung – verbietet die differenzierte Behandlung von Verbrauchern und u. U. auch von Unternehmen, wegen ihrer Nationalität, ihres Wohnsitzes oder des Ortes ihrer Niederlassung. Die Geoblocking-Verordnung findet im B2B-Bereich Anwendung, soweit das kaufende Unternehmen einerseits Endkunde ist, also insbesondere keine Weiterverarbeitung und kein Weiterverkauf erfolgen.

Recht, Arbeit & Soziales Wettbewerbsrecht Handels- und Gesellschaftsrecht
Vorbemerkung

Die EU-Verordnung 2018/302 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung – kurz: Geoblocking-Verordnung – verbietet die differenzierte Behandlung von Verbrauchern und u. U. auch von Unternehmen, wegen ihrer Nationalität, ihres Wohnsitzes oder des Ortes ihrer Niederlassung. Sie wurde am 02.03.2018 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist am 22.03.2018 (am 20. Tag nach Veröffentlichung) in Kraft getreten. Sie ist seit dem 03. Dezember 2018 in den Mitgliedssaaten direkt anwendbar und für Händler bindend.

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Anwendungsbereich

Die Geoblocking-Verordnung findet auch im B2B-Bereich Anwendung, soweit das kaufende Unternehmen seinerseits Endkunde ist, also insbesondere keine Weiterverarbeitung und kein Weiterverkauf erfolgen.

Für die Frage, ob ein Händler von der Verordnung betroffen ist, spielt es keinerlei Rolle, über welche Vertriebskanäle Waren verkauft werden. Das zentrale Diskriminierungsverbot gilt universell. Somit handelt es sich nicht um eine Verordnung nur für den Online-Handel, vielmehr deckt die Verordnung sowohl Online- als auch stationäre Transaktionen ab. Allerdings werden Online-Händler((GENDERNOTICE)) in der Praxis stärker betroffen sein, da viele Vorschriften – wie z. B. das Verbot, den Zugriff auf einen Online-Shop zu verweigern – nur in der Online-Welt Anwendung finden.

Die Verordnung bezieht sich auch grundsätzlich auf den Vertrieb jeglicher Waren. Es sind keine Warengruppen explizit ausgenommen (beachte: Der Vertrieb bestimmter Güter, wie z. B. Pflanzen, lebende Tiere oder Alkohol, könnte in manchen Ländern beschränkt oder verboten sein). Die Verordnung findet auch Anwendung auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen, wie Cloud-Dienste, Webhosting oder die Nutzung von Suchmaschinen und Internetverzeichnissen. Keine Anwendung findet die Verordnung auf audiovisuelle Inhalte, wie Streaming-Dienste oder Film-Downloads. Nicht-audiovisuelle, urheberrechtlich geschützte Inhalte wie E-Books, Software, Musik-Streaming oder Videospiele fallen insoweit in den Anwendungsbereich, als den Kunden zwar der Zugang zu den anbietenden Webseiten gewährt werden muss (kein technisches Geoblocking z. B. auf Basis der IP-Adresse), ein Kauf/Download muss aber nicht zugelassen werden. Diese Regelung soll in der ersten Bewertung der Verordnung der Kommission im März 2020 überprüft werden.

In ihrer geografischen Dimension bezieht sich die Verordnung auf den Europäischen Wirtschaftsraum EWR, d.h. auf alle 28 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Damit muss ein Händler an alle Kunden (B2C und B2B) innerhalb des EWR verkaufen und darf keinen Kauf an einen EWR-Staatsangehörigen, der sich innerhalb des EWR aufhält, ablehnen. Kunden aus Norwegen, Island und Liechtenstein sind wie EU-Kunden zu behandeln. Verkäufe an Kunden aus anderen europäischen Ländern bzw. generell Drittstaaten außerhalb des EWR fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Dies gilt auch für die Schweiz.

Inhalt der Verordnung

Die Verordnung verbietet die Diskriminierung auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes bzw. der Niederlassung oder schlicht des Standortes des Kunden (sog. GeoFaktoren).

Kunden aus anderen Teilen des Europäischen Wirtschaftraumes sollen in der Lage sein, unter exakt denselben Bedingungen einzukaufen wie lokale Kunden. Mit der Verordnung wird damit de facto ein Kontrahierungszwang geschaffen, mit dem allerdings ausdrücklich keine Lieferverpflichtung einhergeht.

Verpflichtung, an alle Verbraucher in der EU zu verkaufen - aber nicht dorthin zu liefern!

Praxisbeispiel:
Wenn ein niederländischer Kunde im Geschäft oder Online-Shop eines Möbelhändlers in Deutschland ein Sofa kaufen möchte, dann kann ihm der Kauf nicht verweigert werden. Wenn der deutsche Händler lediglich eine Belieferung innerhalb Deutschlands anbietet, kann der niederländische Kunde sich das Sofa z. B. nur an die deutsch-holländische Grenze liefern lassen, muss aber den Rest der Lieferung, bis zu sich in den Niederlanden, selbst organisieren.

Damit hat die Verordnung aus Verbrauchersicht einen recht begrenzten Nutzen, da nun zwar EU-weit online eingekauft werden kann, der Kunde seine Käufe aber häufig im Land des Händlers abholen muss.

Was geht nicht?

Im Einzelnen verbietet die Verordnung folgende Vorgänge:

  • Zugang auf Webseiten: Der Zugang zu Online-Shops, Shopping Apps oder anderen Online-Benutzeroberflächen darf nicht auf Grundlage der IP-Adresse oder anderen mit der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnort in Verbindung stehenden Parametern (z. B. Anschrift, PLZ, GPS-Daten) blockiert werden.
  • Weiterleitung (sog. Re-Routing): Es ist nicht erlaubt, einen Kunden automatisch von einer (länderspezifischen) Version eines Online-Shops auf eine andere Version umzuleiten, ohne dass der Kunde ausdrücklich zustimmt (z. B. in dem er einen Haken in ein Pop-upFenster setzt). 
  • Bestellformulare: Jede Webseite oder App muss so designt sein, dass alle Kunden ihre Bestellung auf einfache Art und Weise aufgeben können. Das heißt, dass z. B. bei der Angabe von Kontaktinformationen oder einer Rechnungsadresse sämtliche Adressformate zulässig sein müssen. Sprich Adressen, Postleitzahlen, Telefonnummern etc. aus allen EWR-Staaten müssen in die Formulare eingetragen werden können (z. B. keine Drop-Downs nur mit D, A, CH). 
  • Preissetzung: Es ist nicht erlaubt, Verkaufsbedingungen, Preise oder Angebote innerhalb eines einzigen Webshops auf Basis der IP-Adresse, des eingetragenen Wohnorts, der Sprachauswahl oder des angegebenen Zahlungsmittels automatisch anzupassen (Verlangen unterschiedlicher Verkaufskonditionen wie Preis-, Zahlungs- oder Lieferbedingungen). Sollten solche technischen Anpassungen bisher erfolgt sein, müssen sie abgestellt werden.

    Beispiel:
    Ein Kunde aus Deutschland muss in Zukunft auch eine französische Webseite in Anspruch nehmen können, dies aber nur zu den Bedingungen der französischen Webseite mit dem gesamten Konditionenpaket, das auch für französische Kunden gilt. Wird darin die Lieferung in das Ausland ausgeschlossen, kann auch der deutsche Kunde keine Lieferung nach Deutschland verlangen. Er könnte lediglich eine französische Adresse angeben, die grenzüberschreitende Lieferung organisieren oder die Ware selbst abholen.
  • Zahlungsmittel: Wenn ein Händler eine Zahlungsmethode wie eine bestimmte Kreditkarte grundsätzlich akzeptiert, muss er sicherstellen, dass entsprechende Kreditkartenzahlungen aus allen EWR-Ländern akzeptiert werden.

    Beispiel:
    Ein Händler, der Maestro-Karten aus Frankreich akzeptiert, muss auch eine Zahlung mit einer Maestro-Karte aus Deutschland akzeptieren. Akzeptiert ein Händler hingegen nur Karten einer bestimmten Zahlungsmarke wie Bancontact in Belgien, braucht er keine deutschen Karten zu akzeptieren, die nur innerhalb der Zahlungsmarke Girocard funktionieren. In einem aufsehenerregenden Urteil vom 05.09.2019 hat der EuGH entschieden, dass ein Händler die Bezahlung per Lastschrift nicht nur Kunden mit Wohnsitz in einem bestimmten EU-Mitgliedsstaat anbieten darf (Rechtssache C-28/18)

Was geht?

Dagegen lässt die Verordnung weiterhin folgende Vorgänge zu:

  • Länderspezifische Online-Shops mit länderspezifischen Verkaufskonditionen bleiben zulässig. 
  • D. h. eine Preisdifferenzierung nach Ländern bleibt insoweit zulässig. Es muss lediglich ermöglicht werden, dass ein Nutzer der Webseite aus einem anderen europäischen Staat die Webseite zu den dort geltenden Bedingungen nutzen, also auch zum dort geltenden Preis oder den dort geltenden Zahlungsbedingungen einkaufen kann.

    Beispiel:
    Der Händler betreibt eine deutsche und eine französische Version desselben Online-Shops. Ein Kunde mit einer französischen IP-Adresse möchte auf die deutsche Version des Shops zugreifen, weil dort die gleichen Waren zu günstigeren Preisen angeboten werden. Das darf ihm nicht verwehrt werden (allerdings muss er sich ggfs. auf einen eingeschränkten Versand an eine deutsche Adresse einlassen). 
  • Im Übrigen ist es explizit erlaubt, den Zugriff aus einem bestimmten Land zu verweigern, wenn nationales Recht dies vorschreibt (z. B. Verbot des Online-Verkaufs von Feuerwerk). In diesem Fall muss dem blockierten Kunden vom Händler eine Erklärung gegeben werden.

Folgen im Falle der Gewährleistung

Die Geoblockung-Verordnung ändert in dieser Hinsicht nichts an den bestehenden Vorschriften.

Folgendes Szenario: Ein Händler ist nur im Land A tätig. Ein Verbraucher aus Land B, hat nach der Verordnung nun dennoch das Recht zu kaufen, lässt sich eine Ware innerhalb des Landes A liefern, holt sie ab (Gefahrenübergang) und nimmt die Ware mit nach Land B. Nun tritt ein Mangel auf.

Nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG gilt: Der Kunde hat ein Recht auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands (Artikel 3). D.h., wenn nun eine Ersatzlieferung vorgenommen wird, muss der Händler die Kosten für den Transport der Ersatzware nicht nur innerhalb des Landes A, sondern auch für die Lieferung nach Land B tragen. Gleiches gilt für den Rücktransport der mangelhaften Ware aus Land B (auch bei Vertragsauflösung). Die Kosten für den Transport zum bzw. vom Aufenthaltsort der Ware beim Kunden müssen somit grundsätzlich übernommen werden (falls tatsächlich ein Mangel vorliegt), egal wo sich die Ware befindet. Diese Regel gilt sogar über die Grenzen der EU/des EWR hinaus. Theoretisch müsste ein Händler die Kosten auch übernehmen, wenn der Kunde das Produkt z. B. mit nach Neuseeland genommen hat. Lediglich eine vage Unverhältnismäßigkeitsklausel in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG schützt insoweit den Händler.

Bezüglich der Waren, die installiert oder eingebaut werden müssen (z. B. Waschmaschinen oder Parkettböden), ist der Verkäufer nach der Rechtsprechung im Fall Weber/Putz (C-65/09 und C-87/09) prinzipiell verpflichtet, die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Ersatzware zu tragen. Auch hier stellt sich die Frage, ob die oben erwähnte Schutzklausel stark genug ist, um den Händler vor der Übernahme dieser Kosten zu schützen, sollten sie beim Verbraucher in einem (fernen) Land anfallen, in dem der Händler nicht tätig ist.

Dies sind gesetzliche Vorschriften, die allerdings nur bei einem Verkauf an Verbraucher zum Tragen kommen und nicht für Verkäufe an Unternehmen gelten. Bei einem B2B-Verkauf empfiehlt es sich, im Vorhinein des Vertragsschlusses individuelle, vertragliche Vereinbarungen über diesen Punkt zu treffen.

Rechtsdurchsetzung und Bußgelder

Die Verordnung selbst macht keine Angaben über Strafen, Bußgelder und etwaige andere Folgen bei einem Verstoß. Es obliegt dem Mitgliedstaat, die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. 

In Deutschland ist ein Verstoß gegen die Vorgaben der Geoblocking-Verordnung als Rechtsbruch i. S .d. § 3 a UWG zu bewerten, weshalb ggfs. eine private Rechtsdurchsetzung durch die üblichen Instrumente (Abmahnung und Unterlassungsklage nach dem UKlaG) droht. Parallel dazu hat der deutsche Gesetzgeber aber auch die Möglichkeit einer öffentlich-rechtlichen Durchsetzung im Telekommunikationsgesetz verankert, wodurch einerseits Zwangsgelder von bis zu 500.000,- € für die Abstellung eines Verstoßes nach erfolglosem Ablauf einer Abhilfefrist und andererseits Bußgelder von bis zu 300.000,- € für in der Vergangenheit liegende Verstöße fällig werden können. Zuständige Behörde für die Rechtsdurchsetzung ist die Bundesnetzagentur.

Handlungsbedarf

Sowohl für stationäre Händler als auch (insbesondere) für Unternehmen mit Internetvertrieb besteht Anlass, die technische und rechtliche Übereinstimmung ihrer Vertriebsbedingungen mit der Verordnung seit dem 03.12.2018 sicherzustellen. Insbesondere folgende Maßnahmen sind zu empfehlen:

  • Prüfung, ob Zugang zu Benutzeroberflächen durch Geoblocking beschränkt wird. 
  • Prüfung, ob Diskriminierungen aufgrund von Geo-Faktoren beim Zahlungs- und Lieferverkehr erfolgen. 
  • Prüfung, ob auch eine Lieferung ins Ausland erfolgen soll – dann können länderspezifische Konditionenpakete geschnürt werden, d. h. etwa bestimmte Preise an konkret definierte Liefergebiete geknüpft werden. Allerdings müssen die länderspezifischen Angebote auch von Kunden aus einem anderen EU-Land angenommen werden können. Solchen Kunden muss dabei auch die Möglichkeit gegeben werden, die grenzüberschreitende Lieferung selbst zu organisieren oder die Ware beim Anbieter – oder an einem vereinbarten Ort – abzuholen.

Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Anne-Franziska Weber
Syndikusrechtsanwältin
Themen: Recht, Arbeit & Soziales Wettbewerbsrecht Handels- und Gesellschaftsrecht
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