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Fortbildung - Rückzahlung von Fortbildungskosten

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien zulässig vereinbaren, dass Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurück-zuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB, Ausbildungsbeihilfe).

Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht sonstige Vereinbarungen Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Vorbemerkung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien im Grundsatz vereinbaren, dass Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber((GENDERNOTICE)) für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB, Ausbildungsbeihilfe). 

Schließlich übernimmt der Arbeitgeber hiermit Kosten, zu denen er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet ist. Daher ist ihm grundsätzlich das Recht einzuräumen, diese Verpflichtung von einer Bedingung (Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis) abhängig zu machen (BAG AP Nr. 29 zu Art. 12 GG). 

Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Zu diesem Grundrecht gehört es, den Arbeitsplatz beizubehalten, aufzugeben und zu wechseln. 

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarung einer wirksamen Rückzahlungsklausel aufgrund der derzeit dynamischen AGB - Rechtsprechung der Arbeitsgerichte schwierig ist.

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1. Unter welchen Voraussetzungen sind Rückzahlungsvereinbarungen wirksam?

Die Verpflichtung zur Rückzahlung ist dann mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, also zulässig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1.1. Genaue Bezeichnung der entstehenden Kosten

Die im Zusammenhang mit der Fortbildung entstehenden Kosten sind im Rahmen der Fortbildungsvereinbarung dem Grunde und der Höhe nach zu bezeichnen. Es muss somit genau dargelegt werden, in welcher Höhe diese für den Lehrgang, Fahrten, Übernachtung etc. jeweils anfallen werden, um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen. Der Lehrgangsteilnehmer muss erkennen können, was bei Abbruch der Ausbildung bzw. vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls auf ihn zukommen wird. 

Geschieht dies nicht, ist die Klausel unwirksam und ein Anspruch auf Rückzahlung der Kosten besteht nicht (BAG, Urteil vom 21.08.2012, 3 AZR 698/10).

1.2. Angemessene Gegenleistung für die Bindung an den Betrieb

Vorausgesetzt wird, dass dem Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung ein geldwerter Vorteil zufließt. 

Dieser kann darin bestehen, dass der Arbeitnehmer durch die Ausbildung befähigt wird, Aufgaben mit einer höheren Vergütung wahrzunehmen (BAG, Urteil vom 12.12.1979, DB 1980, S. 1704). Dabei kann es ausreichen, wenn die Bildungsmaßnahme realistisch die Möglichkeit zum weiteren beruflichen Aufstieg eröffnet. 

Der dem Arbeitnehmer zufließende Vorteil kann auch in einer Verbesserung seiner Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegen (BAG, Urteil vom 11.04.1990, DB 1990, S. 2222) sowie im Erwerb allgemein verwertbarer Kenntnisse und Fertigkeiten (LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.1989, DB 1989, S. 1295). 

Dagegen reichen betriebsbezogene Bildungsmaßnahmen, die nur den Zweck haben, vorhandene Kenntnisse und Fertigkeiten aufzufrischen oder zu vertiefen, nicht aus (LAG Frankfurt, DB 1989, S. 887: Fortbildungsseminare von 3 Wochen für gelernte Bankkauffrau). 

Das gilt auch, wenn es nur um die Anpassung der Kenntnisse an vom Arbeitgeber veranlasste neuere betriebliche Gegebenheiten geht (BAG, Urteil vom 16.03.1994, DB 1994, S. 1726). 

Für Musterberechtigungen (z. B. für das Führen bestimmter Geräte oder Fahrzeuge) kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass wegen deren Besonderheiten unabhängig von der Art der Musterberechtigung und der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten regelmäßig nur eine Bindungsdauer von bis zu einem Jahr vereinbart werden darf (BAG, Urteil vom 16.03.1994, a. a. O., BAG, Urteil vom 26.10.1994, SAE 1996, 360).

Wichtig:
Die Vereinbarung der Klausel „der Erwerb der neuen Kenntnisse liegt ausschließlich im Interesse des Arbeitnehmers" hilft dem Arbeitgeber nicht. Denn derartige Klauseln sind nach § 309 Nr. 12 b) BGB unwirksam. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen.

1.3. Berechtigtes Arbeitgeberinteresse an der Rückzahlung

Vom Standpunkt eines verständigen Betrachters müssen unter Berücksichtigung aller Einzelumstände begründete und zu billigende Interessen des Arbeitgebers an der Rückzahlung der Fortbildungskosten vorhanden sein. 

Der Arbeitgeber übernimmt regelmäßig die Kosten der Ausbildung mit dem Ziel und der Erwartung, sich dessen qualifizierte Arbeitsleistung nach der Ausbildung jedenfalls für eine begrenzte Zeit nutzbar zu machen. Dieses Interesse ist grundsätzlich anerkennens- und schützenswert.

1.4. Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens

In der Rückzahlungsklausel muss nach dem Grund des Ausscheidens differenziert werden. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen (BAG, Urteil vom 28.05.2013, 3 AZR 103/12; BAG, Urteil vom 18.03.2014, 9 AZR 545/12). Somit sollte eine Klausel auch beinhalten, dass keine Rückzahlung stattfindet, wenn der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber aus Gründen in der Sphäre desselben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst wird. 

Zudem hat das Bundesarbeitsgericht jüngst entschieden, dass eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers auch dann anzunehmen ist, wenn es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21). Dies dürfte in der Praxis hauptsächlich den Fall der personenbedingten (insb. krankheitsbedingten) Kündigung betreffen.

1.5. Zumutbarkeit der Bindungsdauer

Insgesamt muss die Rückzahlung nach Treu und Glauben zumutbar sein. Die für den Arbeitgeber tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. 

Hierfür kommt es im Einzelnen auf die

  • Dauer der Bindung,
  • Umfang der Fortbildungsmaßnahmen, 
  • Freistellungsdauer
  • Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen 
  • Abwicklung (BAG vom 26.10.1994, a. a. O.) an (vgl. BAG AP Nr. 6 und 16 zu § 611 BGB, Ausbildungsbeihilfe).
  • Fortbildungsdauer und Dauer der Bindung durch die Rückzahlungsklausel müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen: Entscheidend sind die Freistellungsdauer bzw. Höhe der insgesamt übernommenen Kosten je nach Einzelfallabwägung: 
    • Bei einer Lehrgangsdauer bis zu 1 Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann im Regelfall höchstens sechsmonatige Bindungsdauer vereinbart werden,
    • bei einer Lehrgangsdauer von bis zu 2 Monaten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann im Regelfall höchstens eine einjährige Bindungsdauer vereinbart werden, 
    • eine Lehrgangsdauer von 3 bis 4 Monaten rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als 2 Jahre (BAG, Urteil vom 06.09.1995, DB 1996, 532) und 
    • eine Lehrgangsdauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als 3 Jahre (BAG, NZA 1994, S. 835; BAG AP Nr. 6 zu § 611 BGB, Ausbildungsbeihilfe; BAG, 05.06.07, 9 AZR 604/06), 
    • eine Lehrgangsdauer von mehr als 2 Jahren rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als 5 Jahre (BAG, Urteil vom 14.01.2009, 3 AZR 900/7).

      Besteht die Bildungsmaßnahme aus mehreren Unterrichtsabschnitten, so sind die dazwischen liegenden Zeiten bei der Berechnung der Maßnahmedauer nicht mit zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 06.09.1995, a. a. O.). Dies ist insbesondere für Fälle von Bedeutung, in denen sich die Fortbildung über einen längeren Zeitraum erstreckt, der Arbeitnehmer aber bspw. nur einmal pro Woche für eine Teilnahme am Unterricht freigestellt wird. Die zulässige Bindungsdauer orientiert sich hier nur an den tatsächlichen Freistellungszeiten.
      Diese vorstehenden Grundsätze gelten nur für den Regelfall.

      Insbesondere gibt es keinen Grundsatz, dass die Bindungsdauer höchstens sechsmal so lang sein darf wie die Dauer der Bildungsmaßnahme (BAG, Urteil vom 06.09.1995, a. a. O.).

      Im Einzelfall kann auch bei kürzerer Ausbildungsdauer eine verhältnismäßig lange Bindung gerechtfertigt sein, wenn etwa der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt.

      Hohe Aufwendungen des Arbeitgebers allein können also eine verhältnismäßig lange Bindung in aller Regel nicht rechtfertigen. Vielmehr kommt es auch insoweit in erster Linie darauf an, in welchem Ausmaß sich die beruflichen Chancen des Arbeitnehmers infolge der Fortbildung erhöht haben (BAG, Urteil vom 16.03.1994).

      Rechtsfolge der unzumutbar langen Bindungsfrist ist die Unwirksamkeit der gesamten Klausel.
      Eine geltungserhaltende Reduktion ist nach § 306 BGB nicht vorgesehen (BAG, 11.04.06, 9 AZR 610/05). Im Zweifelsfalle ist somit besser eine kürzere Bindungsdauer zu vereinbaren. Lediglich in absoluten Ausnahmefällen, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer im Einzelfall zu bestimmen und es für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte bedeuten würde, an der Tragung der Ausbildungskosten festzuhalten, kann eine unzulässige Bindungsdauer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf eine zulässige zurückgeführt werden. (BAG 14.01.2009, 3 AZR 900/7) 
  • Auch wenn die Rückzahlungsverpflichtung eine zulässige Dauer beinhaltet, kann der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Ausbildungskosten nur in vertretbaren Grenzen herangezogen werden.

    Zunächst kann der Arbeitgeber höchstens den Betrag zurückverlangen, den er tatsächlich aufgewandt hat. Andernfalls handelte es sich um eine Vertragsstrafe. Dessen ungeachtet hat der Arbeitnehmer höchstens den vereinbarten Betrag zurückzuzahlen, auch wenn die Kosten der Aus- oder Weiterbildung höher liegen.

    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Minderung der Rückzahlungssumme pro Monat der Beschäftigung angemessen, da beispielsweise bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers 2 Jahre nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme nicht derselbe Betrag gefordert werden kann wie bei einem Ausscheiden nach 2 Monaten.

    Darüber hinaus darf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht aus der Sphäre des Arbeitsgebers stammen.
  • Die vorherige einverständliche Festlegung eines bestimmten Rückzahlungsbetrages entbindet den Arbeitgeber nicht von der ihn treffenden Darlegungslast, wenn der Arbeitnehmer die Höhe bestreitet.

2. Welche Probleme ergeben sich insbesondere bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Rückforderungsanspruches?

Das BAG hat ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen trägt, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung einen beruflichen Vorteil erlangt hat (BAG, Urteil vom 16.03.1994, a. a. O.). Es kommt allerdings auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an und nicht auf nachträglich tatsächlich eingetretene Umstände. 

Der Arbeitgeber müsse vielmehr die Umstände darlegen, aus denen ein entsprechender beruflicher Vorteil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe erwartet werden können. Soweit der Arbeitgeber vorträgt, dass der Arbeitnehmer eine anerkannte Qualifikation durch die Weiterbildung erworben habe und ihm diese auch innerbetrieblich Vorteile gebracht habe, die auch in der Einstellung selbst liegen könnten, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast.

3. Welche Rückforderungsklauseln sind in jedem Fall unzulässig und deshalb unwirksam?

Im Berufsausbildungsverhältnis und gleichgestellten Ausbildungsgängen sind Rückzahlungsklauseln gem. §§ 5 Abs. 2, 19 BBiG unzulässig. 

Der zur Berufsausbildung des Berufskraftfahrers gehörende Erwerb des Führerscheins der Klasse II kann beispielsweise nicht, auch nicht bei Abbruch der Ausbildung, kostenmäßig auf den Auszubildenden abgewälzt werden (BAG, Urteil vom 25.04.1984, DB 1985, S. 51).

4. Formularverträge für entsprechende Vereinbarungen

Der HBE hält entsprechende Formularverträge bereit, die Sie bei der für Sie zuständigen Bezirksgeschäftsstelle anfordern können. 

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Ihre Ansprechpartner zu diesem Thema

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Alexandra Weitmann
Syndikusrechtsanwältin
Themen: Recht, Arbeit & Soziales Arbeitsrecht sonstige Vereinbarungen Beendigung von Arbeitsverhältnissen
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