Kaum ein Phänomen beschäftigt die betriebliche Praxis so sehr wie das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und ihre Auswirkungen in der Praxis. Vielfach bestehen hier erhebliche Unkenntnisse über die Rechte der Arbeitgeber und die Pflichten der Arbeitnehmer. In der Praxis dürfte besonders zu berücksichtigen sein, dass einem erhöhten Krankenstand oftmals nicht ausschließlich mit rechtlichen Maßnahmen beigekommen werden kann.
Vorbemerkung Kaum ein Phänomen beschäftigt die betriebliche Praxis so sehr wie das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und ihre Auswirkungen in der Praxis. Vielfach bestehen hier erhebliche Unkenntnisse über die Rechte der Arbeitgeber und die Pflichten der Arbeitnehmer. In der Praxis dürfte besonders zu berücksichtigen sein, dass einem erhöhten Krankenstand oftmals nicht ausschließlich mit rechtlichen Maßnahmen beigekommen werden kann. Hierfür sind vielmehr eine Vielzahl von „weichen Faktoren“ verantwortlich (vgl. insbesondere die Checkliste „Fehlzeiten“, S. 13-15).
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Die tariflichen Vorschriften gelten nur dann, wenn
Gelten die tarifvertraglichen Regelungen nicht, so kommt lediglich das Gesetz zur Anwendung.
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht nur bei „Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“. Krankheit allein (definiert als ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der der Behandlung bedarf) löst deshalb einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht aus. Voraussetzung ist vielmehr eine durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit, die zur Folge hat, dass die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer nicht mehr erbracht werden kann. Eine solche liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nur teilweise erfüllen kann. Denn eine "Teil-Arbeitsunfähigkeit" gibt es nicht. Der Arbeitgeber((GENDERNOTICE)) ist deshalb nicht verpflichtet, eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als teilweise Erfüllung der Arbeitsverpflichtung anzunehmen.
Besteht eine "Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit", so obliegen dem Arbeitnehmer folgende Pflichten:
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Unverzüglich beinhaltet eine Mitteilung "ohne schuldhaftes Zögern". Meldet der Arbeitsnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bei einem vormittäglichen Arbeitsbeginn erst am Nachmittag, so ist von einem Verstoß gegen diese sogenannte "Anzeigepflicht" auszugehen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als vom Arbeitnehmer zunächst angegeben, ist eine erneute Mitteilung durch den Arbeitnehmer erforderlich. Eine bestimmte Form für die Anzeigepflicht ist nicht vorgeschrieben. Bei Verstoß ist der Arbeitgeber zur Abmahnung berechtigt (vgl. HBE-Praxiswissen "Abmahnung"). Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so besteht darüber hinaus die Verpflichtung, dem Arbeitgeber schnellstmöglich die Adresse des Aufenthaltsortes mitzuteilen. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen hat der Arbeitgeber die durch die Meldung entstehenden Kosten zu tragen. Kehrt der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer in das Inland zurück, so hat er dies dem Arbeitgeber und der Krankenkasse unverzüglich zu melden.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger, als in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegeben, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber erneut unverzüglich zu unterrichten (s. o.).
Bis Ende 2022 ergab sich für den Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Nachweispflicht für den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert. Der Arbeitnehmer hatte dann eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Zum 01.01.2023 ist das Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) für den Arbeitgeber verpflichtend geworden. Dadurch ist die Pflicht des Beschäftigten, das ärztliche Attest dem Arbeitgeber in Papierform vorzulegen, entfallen (§ 5 Abs. 1a S. 1 EFZG). Beschäftigte müssen nun nur noch die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer durch einen Arzt feststellen lassen. Hierfür gelten die bisher geregelten Zeitpunkte fort. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss also immer dann erfolgen, wenn diese länger als drei Tage dauert (bei Anwendbarkeit des Tarifvertrages setzt die Nachweispflicht spätestens am 3. Kalendertag ein, d. h. auch wenn der Arbeitnehmer nur einen Tag erkrankt ist). Der Arbeitgeber kann eine frühere Feststellung verlangen. Außerdem muss die Arbeitsunfähigkeit erneut festgestellt werden, wenn sie länger dauert als vom Arzt zunächst angegeben. Erkrankt der Arbeitnehmer nur für einen Tag, besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Verpflichtung zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer. Allerdings ist der Arbeitgeber berechtigt, diese Feststellung bereits ab dem 1. Tag der Krankheit zu verlangen.
Im Falle der Verletzung der Melde- und/oder Nachweispflicht des Arbeitnehmers obliegen dem Arbeitgeber folgende Rechte:
Solange der Arbeitnehmer der Feststellungspflicht nach Ziffer 2.2 oder den ihn bei Auslandserkrankung obliegenden Verpflichtungen schuldhaft nicht nachkommt, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu verweigern. Wird die betreffende Verpflichtung jedoch vom Arbeitnehmer nachgeholt, so ist der Arbeitgeber zu einer Nachzahlung für den zurückliegenden Zeitraum, soweit er von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfasst wird, verpflichtet. Zu einer Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungstermin liegenden Tag ist der behandelnde Arzt nur ausnahmsweise, nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen rückwirkend berechtigt (§ 5 Abs. 3 AU-Richtlinien der Krankenkassen).
Ein Verstoß gegen die Anzeige- und/oder Nachweispflicht berechtigt den Arbeitgeber zur Abmahnung (s. o.).
Die wiederholte Verletzung der Anzeige- und/oder Nachweispflicht kann nach vorheriger Abmahnung eine fristgerechte ordentliche Kündigung rechtfertigen; in Ausnahmefällen ist eine fristlose Kündigung denkbar.
Der Arbeitgeber kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit von der Krankenkasse verlangen, dass eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit eingeholt wird. Derartige Zweifel sind insbesondere dann gegeben, wenn
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es sich dabei in der Regel um ein kaum wirksames Mittel zur Eindämmung der Arbeitsunfähigkeit handelt.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall setzt voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig und die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet ist. An der Arbeitsunfähigkeit bestehen in der Praxis in der Regel kaum Zweifel, sofern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Dies gilt (zunächst) als Beweis für die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Will der Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle dennoch verweigern, so muss er Umstände dartun, die ausreichen, das zunächst vorliegende ärztliche Attest zu erschüttern. Diese müssen genügen, begründete Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu wecken. Im Anschluss daran ist der Arbeitnehmer verpflichtet, etwa durch Entbindung seines Arztes von der Schweigepflicht, seine (angeblich doch) bestehende Arbeitsunfähigkeit darzutun und zu beweisen.
Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann der Arbeitgeber bei ausländischen, aber innerhalb der EU ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen insoweit anderslautenden EU-Rechtes den Beweiswert entsprechender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht durch die Darlegung entsprechender Zweifel erschüttern. Vielmehr ist der Arbeitgeber hier verpflichtet, den vollen Gegenbeweis zu erbringen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtsmissbräuchlich erlangt wurde, d.h. die Krankschreibung ist erfolgt, obwohl der Arbeitnehmer arbeitsfähig war. Der Europäische Gerichtshof sowie das Bundesarbeitsgericht verweisen den Arbeitgeber in einem derartigen Fall darauf, den Arbeitnehmer im Ausland untersuchen zu lassen. Dies dürfte in der Praxis in aller Regel kein praktikabler Weg sein. Im Gegensatz dazu spielt in der Praxis oftmals die Frage, ob die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet ist, eine erhebliche Rolle. Von einer schuldhaften Verursachung der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer in grober Weise gegen das von einem verständigen Menschen im Eigeninteresse zu erwartende Verhalten verstößt.
Bei Vorliegen mehrerer Arbeitsverhältnisse besteht grundsätzlich gegen jeden Arbeitgeber ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. Erleidet der Arbeitnehmer während einer Nebenbeschäftigung eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung, so entfällt gegen den Arbeitgeber des Hauptbeschäftigungsverhältnisses der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur dann, wenn
Hierbei sind zwei Tatbestände zu unterscheiden:
Die Mehrfacherkrankung an derselben Krankheit sowie bei Vorliegen verschiedener Krankheiten.
Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen (= 42 Kalendertage) für dieselbe Krankheit. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wiederholt erkrankt und diese Erkrankung auf demselben Grundleiden beruht oder auf dieselbe chronische Erkrankung zurückzuführen ist (sogenannte Fortsetzungserkrankung). Hierbei ist es jedoch unerheblich, ob die gleichen oder verschiedene Krankheitssymptome auftreten.
Der Arbeitnehmer leidet an einer Allergie. Diese äußert sich beim ersten Mal in einem Hautausschlag, beim nächsten Mal in Atemwegsbeschwerden.
Von diesem Grundsatz (Entgeltfortzahlung für die Dauer von maximal sechs Wochen bei derselben Krankheit) bestehen allerdings folgende Ausnahmen:
Der Arbeitnehmer erkrankt vom 01.02. bis zum 31.03. eines Jahres an Neurodermitis. Im Mai ist er wegen eines Beinbruchs arbeitsunfähig. Ab 01.10. erkrankt er erneut an Neurodermitis. Hier hat der Arbeitnehmer im Oktober einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da die SechsMonats-Frist am 30.09. abgelaufen war.
Der Arbeitnehmer erkrankt am 01.01.2023. Die Erkrankung dauert bis zum 31.01.2024. Am 01.03.2024 erkrankt der Arbeitnehmer wiederum an derselben Krankheit. Der Entgeltfortzahlungsanspruch beginnt nicht schon am 01.01. des Jahres, sondern erst mit Eintritt der erneuten Erkrankung am 01.03.2024.
Die Zwölf-Monats-Frist wird jedoch durch die Sechs-Monats-Frist unterbrochen. War der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit sechs Monate lang nicht arbeitsunfähig und erlangt er somit bei einem erneuten Auftreten der Krankheit einen Entgeltfortzahlungsanspruch von bis zu sechs Wochen, so beginnt in diesem Fall auch die Zwölf-MonatsFrist neu zu laufen.
Der Arbeitnehmer ist vom 01.01. bis 31.01. eines Jahres arbeitsunfähig krank. Im Oktober dieses Jahres erkrankt er erneut. Wegen der Sechs-Monats-Frist hat er ab Oktober einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Zwölf-Monats-Zeitraum beginnt ebenfalls ab Oktober.
Bei einer erneuten Erkrankung, die auf einer anderen Ursache beruht, beginnt ein neuer sechswöchiger Fortzahlungszeitraum. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer mehrfach hintereinander an der gleichen Krankheit erkrankt, die nicht auf einem einheitlichen Grundleiden beruht (Beispiel: Der Arbeitnehmer erkrankt mehrmals hintereinander erneut an einer zuvor ausgeheilten Erkältung). Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn während der Arbeitsunfähigkeit diese neue Krankheit hinzutritt oder sich unmittelbar an die vorherige anschließt (Grundsatz der „Einheit des Versicherungsfalles“). In diesem Fall gilt das oben Gesagte zu Mehrfacherkrankungen an derselben Krankheit.
Nach Gesetz und Tarifvertrag besteht für die ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung des Arbeitsnehmers gegen den Arbeitgeber. Vielmehr besteht insoweit ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen seine Krankenkasse.
Der Arbeitgeber ist bei dann noch fortdauernder oder bei dann beginnender Arbeitsunfähigkeit verpflichtet, für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten. Eine in den ersten vier Wochen bestehende und noch fortdauernde Erkrankung wird nicht auf den SechsWochen-Zeitraum angerechnet.
Der Arbeitnehmer erkrankt nach Aufnahme seines Arbeitsverhältnisses mit Beginn der zweiten Arbeitswoche. Die Arbeitsunfähigkeit dauert bis zum Ende der zehnten Woche des Arbeitsverhältnisses.
Für die zweite bis vierte Arbeitswoche erhält der Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Vielmehr tritt diesbezüglich seine Krankenkasse ein. Allerdings ist der Arbeitgeber für die fünfte bis einschließlich zehnte Woche zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet.
Hinsichtlich der Berechnung der Sechs-Wochen-Frist gilt folgendes:
Der Entgeltfortzahlungsanspruch beginnt mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:
Gleiches gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit geruht hat (z. B. wegen Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub). Die Frist beginnt dann an dem Tag zu laufen, an dem das Arbeitsverhältnis wieder auflebt.
Der Entgeltfortzahlungsanspruch erlischt grundsätzlich mit dem Ablauf der Sechs-WochenFrist, dem Ende der Arbeitsunfähigkeit oder des Arbeitsverhältnisses.
Eine Ausnahme besteht jedoch für den Fall, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Krankheit gekündigt hat oder der Arbeitnehmer zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war. Hier endet der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht mit der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern dauert fort bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist. Macht der Arbeitnehmer von seinem Recht zur fristlosen Kündigung keinen Gebrauch, sondern kündigt er aus dem gleichen Grund fristgemäß, also ordentlich, so bleibt der Arbeitgeber ebenfalls zur Weiterzahlung des Entgelts für die Dauer von maximal sechs Wochen verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn der SechsWochen-Zeitraum über die Kündigungsfrist hinaus andauert.
Im Falle der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip: Der Arbeitnehmer soll während der Krankheit wirtschaftlich so gestellt sein, wie er bei regelmäßiger Arbeitsleistung gestanden hätte. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dasjenige Entgelt zu bezahlen, das dieser erhalten hätte, wenn er in der Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gearbeitet hätte.
Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt 100 %. Bemessungsgrundlage für die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts ist die vom Arbeitnehmer zu leistende regelmäßige Arbeitszeit. Aufgrund der nunmehrigen gesetzlichen Regelungen ist festgelegt, dass Überstundenvergütungen und Überstundenzuschläge außer Betracht bleiben. Schwankt der Verdienst des Arbeitnehmers aufgrund unterschiedlich langer Arbeitszeiten in den vergangenen Monaten, so ist ein Durchschnittswert aus den letzten drei Monaten oder einem gegebenenfalls noch längeren repräsentativen Zeitraum zu bilden.
Zu diesem Arbeitsverdienst zählen:
Nicht zum Arbeitsverdienst zählen dagegen:
Nicht selten beruht die Arbeitsunfähigkeit auf dem schädigenden Verhalten eines Dritten (beispielsweise Verkehrsunfall, Schlägerei). Der Arbeitgeber ist hier gleichwohl zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Er erwirbt jedoch nach geleisteter Entgeltfortzahlung kraft Gesetzes einen Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Dritten.
Kraft Gesetz geht dieser Anspruch in dem Umfang auf den Arbeitgeber über, in dem der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung geleistet hat. Dieser Anspruch umfasst den Bruttoverdienst, Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld, Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung und Sonderzahlungen jeweils anteilig. Nicht zum Schadensersatz gehören dagegen die Umlagen zur Unfallversicherung. Trifft den Arbeitnehmer am Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein (Mit-) Verschulden, so mindert sich der Schadensersatzanspruch entsprechend. Das gleiche gilt für Aufwendungen, die der Arbeitnehmer infolge der Arbeitsunfähigkeit erspart (beispielsweise Essenszuschuss).
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die erforderlichen Angaben zu machen, die zur Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruches notwendig sind. Kommt der Arbeitnehmer dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, so ist der Arbeitgeber berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Dieses Verweigerungsrecht entfällt jedoch, sobald der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nachkommt.
Nach Entscheidung des BAG (2 AZR 716/06) ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements für alle Arbeitnehmer und nicht nur für behinderte Menschen erforderlich.
Gemäß § 167 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches IX hat der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung (dem Betriebsrat), bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeit abzuklären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden wird und mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird außerdem der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.
Der betroffene Arbeitnehmer oder sein gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen.
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist zwar nicht formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung, jedoch trotzdem dringend zu empfehlen, da der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG (2 AZR 565/14) im Falle des Absehens von der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements dessen objektive Nutzlosigkeit darzulegen hat (s. 5.1 f).
Entgegen einem weitverbreiteten Irrglauben kann das Arbeitsverhältnis auch während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden. Diesbezüglich bestehen jedoch folgende Voraussetzungen:
Der Arbeitnehmer muss in der Vergangenheit erhebliche Fehlzeiten aufweisen. Ob die Fehlzeiten durch eine lang andauernde Krankheit oder durch zahlreiche kurze verursacht wurden, ist ohne Bedeutung. In der Praxis wird in der Regel verlangt, dass über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg jeweils deutlich mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit je Kalenderjahr bestanden hat.
Darüber hinaus muss die objektiv begründete Besorgnis bestehen, dass auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten infolge von Erkrankung auftreten werden. Da dies letztlich nur aufgrund einer medizinischen Stellungnahme beurteilt werden kann, wird im Kündigungs-schutzprozess in der Regel der behandelnde Arzt seitens des gekündigten Arbeitnehmers von seiner Schweigepflicht entbunden. Der Ausgang des Prozesses ist dann in aller Regel von der Aussage des Arztes abhängig.
Es empfiehlt sich deshalb, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits vorab nach dem voraussichtlichen Verlauf der Krankheit befragt und ihn bittet, den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden. Bei lang dauernden Erkrankungen kann eine Erkrankung von in der Regel mehr als 2 Jahren in der Vergangenheit bereits für eine entsprechende negative Zukunftsprognose sprechen.
Die prognostizierte Erkrankung muss darüber hinaus zu erheblichen betrieblichen Auswirkungen geführt haben. Dies sind Störungen im Betriebs- und Arbeitsablauf, die nicht durch zumutbare Maßnahmen, wie z. B. Einstellung einer Aushilfskraft, ausgeglichen werden.
Eine zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit außergewöhnlichen Entgeltfortzahlungskosten, die jährlich für jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, kann eine Kündigung wegen Kurzerkrankung ebenfalls sozial rechtfertigen.
Eine lang andauernde Krankheit kann eine Kündigung dann rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit völlig ungewiss ist und die Krankheit bereits einen erheblichen Zeitraum (s. o.) andauert.
Ergänzend sind darüber hinaus die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gegen die Interessen des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen. Dabei sind insbesondere folgende Umstände in die Interessenabwägung mit einzubeziehen:
Der Arbeitgeber muss die ungünstige Zukunftsprognose sowie die betriebsorganisatorischen Störungen oder erheblichen wirtschaftlichen Belastungen vortragen und gegebenenfalls auch beweisen.
Das BAG hat mit Urteil vom 12.07.2007 (2 AZR 716/06) entschieden, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement gemäß § 167 Abs.2 Sozialgesetzbuch IX für alle Arbeitnehmer anwendbar ist. Zwar stellt es keine formelle Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung dar, dafür jedoch eine Konkretisierung des gesamten dem Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das heißt, durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement können eventuell mildere Mittel wie die Umgestaltung des Arbeitsplatzes entwickelt und eine Kündigung dadurch vermieden werden.
Bei fehlendem Betrieblichen Eingliederungsmanagement muss der Arbeitgeber daher einen umfassenderen und konkreteren Sachvortrag dazu erbringen, warum der Arbeitnehmer nicht mehr eingesetzt und warum eine Anpassung des Arbeitsplatzes ausgeschlossen bzw. der Arbeitnehmer nicht alternativ eingesetzt werden kann.
Es ist deshalb dringend zu empfehlen, ein solches Eingliederungsmanagement durchzuführen.
Ist der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung zwar nicht arbeitsunfähig, wohl aber in seiner Leistung auf Dauer erheblich gemindert, so ist ebenfalls eine Kündigung grundsätzlich möglich. Auch hier gelten die dargestellten Grundsätze
Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig und verlängert er die Krankheit durch ein gesundheitswidriges Verhalten, z. B. bei Missachtung von ärztlichen Anordnungen (was im Einzelfall dargelegt und bewiesen werden muss), so kann der Arbeitgeber im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung fristgemäß kündigen. In der Praxis dürfte es sich jedoch insoweit um einen absoluten Ausnahmefall handeln.
Dem Arbeitnehmer kann darüber hinaus außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber eine vorgetäuschte oder erschlichene Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitnehmer beweisen kann. Hierunter fällt auch der Fall einer angekündigten Erkrankung etwa nach Ablehnung eines Urlaubsantrages.
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Es findet eine Unterbrechung des Urlaubs statt. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht berechtigt, den Urlaub einseitig über den ursprünglich festgelegten Zeitraum hinaus zu verlängern. Dies würde den Arbeitgeber zu einer Abmahnung oder gar Kündigung berechtigen.
Zum Problem des Entstehens eines Urlaubsanspruches wegen lang andauernder Erkrankung sowie einer Übertragung des Urlaubsanspruches auf das Folgejahr vergleiche das HBE-Praxiswissen "Urlaub".
Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen dürfen Maßnahmen der Medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Damit scheidet eine Anrechnung derartiger Maßnahmen auf den Erholungsurlaub grundsätzlich aus. Diese gesetzliche Neuregelung in § 10 Bundesurlaubsgesetz kann allerdings durch Tarifverträge abbedungen werden (vgl. § 13 Bundesurlaubsgesetz). Dies hat zur Folge, dass eine Anrechnung von Maßnahmen der Medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Erholungsurlaub gemäß § 11 Ziffer 5 MTV nach wie vor möglich ist, soweit der Arbeitnehmer während dieser Maßnahme arbeitsfähig gesund ist und deshalb keinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat.
Kommt der Tarifvertrag nicht zur Anwendung, so bleibt es bei den gesetzlichen Regelungen dabei, dass eine Anrechnung von Kuren auf den Urlaub nicht möglich ist.
Statt einer Anzeige- und Nachweispflicht (s. o.) ist der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet, dem Arbeitgeber den Zeitpunkt des Antritts der Maßnahme, deren voraussichtliche Dauer und die Verlängerung der Maßnahme unverzüglich mitzuteilen. Darüber hinaus hat er dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über die Bewilligung der Maßnahme durch einen Sozialleistungsträger oder eine ärztliche Bescheinigung über die Erforderlichkeit der Maßnahme unverzüglich vorzulegen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten berechtigt den Arbeitgeber zur Abmahnung und im Wiederholungsfall zur Kündigung.
Vergleiche dazu das HBE Praxiswissen "Umlageverfahren Aufwendungsausgleichsgesetz".
| Ja | Nein | |
|---|---|---|
| Haben Fehlzeiten in den letzten 12 Monaten zugenommen? | ||
| Gibt es eine exakte Anwesenheitskontrolle? | ||
| manuell | ||
| maschinell | ||
| elektronisch | ||
| Welche Arten von Fehlzeiten treten besonders häufig auf? | ||
| Längere Krankheitsabwesenheit | ||
| Kurzerkrankungen (besonders montags oder freitags bzw. samstags) | ||
| Unpünktlichkeit bei Beginn oder Ende der Arbeit | ||
| Zwischenzeitliche Abwesenheit vom Arbeitsplatz | ||
| Werden die Fehlzeiten sorgfältig und lückenlos erfasst? | ||
| für den Gesamtbetrieb | ||
| getrennt nach Abteilungen oder Arbeitsbereichen | ||
| getrennt nach Mitarbeitern oder Personengruppen | ||
| getrennt nach Phasen mit besonderer Arbeitsbelastung (z .B. Weihnachtsgeschäft, Inventur) | ||
| Gibt es entsprechend den Auswertungskriterien deutliche Unterschiede in den Fehlzeitenquoten? | ||
| Sind hierfür Gründe bekannt (z .B. besonders viele Mitarbeiter derselben Altersgruppe in einer Abteilung)? | ||
| Wird eine personenbezogene Erfassung und Auswertung von Fehlzeiten vorgenommen, damit man erkennt, ob | ||
| bestimmte Mitarbeiter besonders häufig an einzelnen Tagen fehlen? | ||
| sich bei einzelnen Mitarbeitern die Fehlzeiten auf bestimmte Tage konzentrieren (z. B. am Wochenanfang oder -ende oder in Verbindung mit Feiertagen)? | ||
| bestimmte Mitarbeiter häufig kurzzeitig fehlen? | ||
| es Mitarbeiter gibt, die bei Arbeitshäufung fehlen oder wenn aus betrieblichen Gründen Überstunden angeordnet werden? | ||
| sich Fehlzeiten auf bestimmte Mitarbeitergruppen konzentrieren? | ||
| Sind Vergleichswerte über die Fehlzeiten in anderen Unternehmen bekannt? (z. B. aus einer Erfa-Gruppe) | ||
| Liegt die eigene Fehlzeitenquote über den Vergleichswerten? | ||
| Sind Gründe für überhöhte oder stark gestiegene Fehlzeiten bekannt, z. B. | ||
| jahreszeitlich bedingt gestiegener Krankenstand? | ||
| ungünstige Personalstruktur? | ||
| Mängel in der Arbeitsablauforganisation? | ||
| sonstige Gründe? | ||
| Wurde bereits gezielt nach den Ursachen der Fehlzeiten gesucht? | ||
| Könnten möglicherweise nicht direkt erkennbare oder mittelbare Gründe zum Anstieg der Fehlzeiten geführt haben (z. B. mangelnde Motivation)? | ||
| Erscheint eine tiefergehende Ursachenanalyse der Fehlzeitenentwicklung in folgenden Bereichen angebracht: | ||
| Sach- und Ablauforganisation? | ||
| Mitarbeiterführung? | ||
| Betriebsklima? | ||
| Arbeitsplatzgestaltung? | ||
| Arbeitszeit- und Pausenregelung? | ||
| Arbeitsplatzanforderungen? | ||
| Arbeitssicherheit? | ||
| Gehaltsstruktur? | ||
| Wurde mit der Gesamtbelegschaft oder einzelnen Mitarbeitergruppen über die Entwicklung der Fehlzeiten gesprochen? | ||
| Konnten durch solche Gespräche die Fehlzeiten verringert werden? | ||
| Werden alle Führungskräfte von der Personalabteilung regelmäßig (z. B. monatlich) über die Fehlzeitenentwicklung in ihrem Verantwortungsbereich informiert? | ||
| Erhalten die Führungskräfte von der Unternehmensleitung ausreichende Arbeits- und Argumentationshilfen für die Beeinflussung der Fehlzeiten? | ||
| Wurden konkrete Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten ergriffen: | ||
| Wurden konkrete Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten ergriffen: | ||
| gezielte Verbesserung der Führungsqualität der Vorgesetzten? | ||
| Teamarbeit? | ||
| vermehrter Einsatz von Teilzeitkräften an bestimmten Arbeitsplätzen (z. B. mit sehr monotoner Arbeit)? | ||
| Verbesserung der gesamten Betriebsorganisation? | ||
| Delegation von Verantwortung? | ||
| Einführung von Stellenausschreibungen? | ||
| Information der Mitarbeiter über das Ausmaß und die Auswirkungen vermeidbarer Fehlzeiten (z. B. für die Sicherheit der Arbeitsplätze)? | ||
| Einzelgespräche mit Mitarbeitern, die durch besonders hohe Fehlzeiten auffallen, mit dem Hinweis auf mögliche Konsequenzen? | ||
| Trennung von Mitarbeitern, denen missbräuchliche Fehlzeiten nachgewiesen werden konnten? |
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner in den HBE-Geschäftsstellen finden Sie unter www.hv-bayern.de
